die öffentliche Heerstraße sei, das war manchem armen Bauer, adeligen Grundbesitzer und auch manch' einer fürstlichen Kammer nicht unterscheidbar. Wie er ging, stolperte, taumelte, war zuerst auch dem betäubten alten Schulmeister ununterscheidbar. Er ging in ellentiefen Wagenspuren, er stolperte über abgelaufene Räder und Pferdekadaver, er fühlte Stoppelacker und Brachland unter seinen Füßen. Er gerieth in Sumpf und Moor und in den Busch und tastete sich durch die gelbgraue Finsterniß weiter, ohne zu wissen, warum und wohin. Und er befand sich nicht allein im Nebel. Die Gegend war so belebt wie's nur an einem solchen Gefechtstage möglich. Spukhafte Gestalten -- vereinzelt und zu Haufen überall! Wildes Geschrei, Geheul, Jauchzen bald in der Nähe, bald aus weiter Ferne. Und dazu vom Ith her das immer heftiger werdende Kanonen¬ feuer Mylord Granby's und des Herrn Marquis von Poyanne.
"Was würden Professor Gottsched sagen und hiezu thun?" ....
Es ist eine historische Thatsache und durch die deutsche Litteraturgeschichte zu jenes Mannes ewigen Ehren beglaubigt, daß Magister Buchius, der letzte Kollaborator der wirklichen großen Schule von Kloster Amelungsborn auf die Ansichten und Meinungen des Leipziger Kollegen ein Großes mit Recht hielt.
Aber es kam keine Antwort von Leipzig. Und aus der Welt der Klassiker auch nicht. Kein Ver¬
die öffentliche Heerſtraße ſei, das war manchem armen Bauer, adeligen Grundbeſitzer und auch manch' einer fürſtlichen Kammer nicht unterſcheidbar. Wie er ging, ſtolperte, taumelte, war zuerſt auch dem betäubten alten Schulmeiſter ununterſcheidbar. Er ging in ellentiefen Wagenſpuren, er ſtolperte über abgelaufene Räder und Pferdekadaver, er fühlte Stoppelacker und Brachland unter ſeinen Füßen. Er gerieth in Sumpf und Moor und in den Buſch und taſtete ſich durch die gelbgraue Finſterniß weiter, ohne zu wiſſen, warum und wohin. Und er befand ſich nicht allein im Nebel. Die Gegend war ſo belebt wie's nur an einem ſolchen Gefechtstage möglich. Spukhafte Geſtalten — vereinzelt und zu Haufen überall! Wildes Geſchrei, Geheul, Jauchzen bald in der Nähe, bald aus weiter Ferne. Und dazu vom Ith her das immer heftiger werdende Kanonen¬ feuer Mylord Granby's und des Herrn Marquis von Poyanne.
„Was würden Profeſſor Gottſched ſagen und hiezu thun?“ ....
Es iſt eine hiſtoriſche Thatſache und durch die deutſche Litteraturgeſchichte zu jenes Mannes ewigen Ehren beglaubigt, daß Magiſter Buchius, der letzte Kollaborator der wirklichen großen Schule von Kloſter Amelungsborn auf die Anſichten und Meinungen des Leipziger Kollegen ein Großes mit Recht hielt.
Aber es kam keine Antwort von Leipzig. Und aus der Welt der Klaſſiker auch nicht. Kein Ver¬
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Bauer, adeligen Grundbeſitzer und auch manch' einer
fürſtlichen Kammer nicht unterſcheidbar. Wie er ging,
ſtolperte, taumelte, war zuerſt auch dem betäubten alten
Schulmeiſter ununterſcheidbar. Er ging in ellentiefen
Wagenſpuren, er ſtolperte über abgelaufene Räder und
Pferdekadaver, er fühlte Stoppelacker und Brachland
unter ſeinen Füßen. Er gerieth in Sumpf und Moor
und in den Buſch und taſtete ſich durch die gelbgraue
Finſterniß weiter, ohne zu wiſſen, warum und wohin.
Und er befand ſich nicht allein im Nebel. Die Gegend
war ſo belebt wie's nur an einem ſolchen Gefechtstage
möglich. Spukhafte Geſtalten — vereinzelt und zu
Haufen überall! Wildes Geſchrei, Geheul, Jauchzen
bald in der Nähe, bald aus weiter Ferne. Und dazu
vom Ith her das immer heftiger werdende Kanonen¬
feuer Mylord Granby's und des Herrn Marquis von
Poyanne.
„Was würden Profeſſor Gottſched ſagen und hiezu
thun?“ ....
Es iſt eine hiſtoriſche Thatſache und durch die
deutſche Litteraturgeſchichte zu jenes Mannes ewigen
Ehren beglaubigt, daß Magiſter Buchius, der letzte
Kollaborator der wirklichen großen Schule von Kloſter
Amelungsborn auf die Anſichten und Meinungen des
Leipziger Kollegen ein Großes mit Recht hielt.
Aber es kam keine Antwort von Leipzig. Und
aus der Welt der Klaſſiker auch nicht. Kein Ver¬
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/159>, abgerufen am 21.11.2024.
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