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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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bannter, von dem die Alten reden, war je in solcher
Weise und unter solchen Umständen vor die Thür ge¬
setzet worden, wie er -- der Magister Buchius!

Er war so sehr im Kreise gedreht worden, und
der Nebel war so dick, daß er, der jetzt in's Elend
Getriebene, nicht einmal mehr wußte, wohin er sich zu
wenden habe, um, wenn er wollte, auf Umwegen, seinen
Winkel unterm Dache, die Zelle des Bruders Philemon
wiederzugewinnen. Er hätte sich nach dem Kanonen¬
donner richten können; aber der brach sich eben so viel¬
fach an den Bergwänden wie innerhalb der Wände
seiner Hirnschale. Der Lärm war hinter ihm, vor
ihm, über ihm und in ihm.

"Der Herr Professor würden den Herrn Amtmann
wohl als einen todten Leichnam zu Ihren Füßen zu¬
rückgelassen haben," sagte Magister Buchius, für's Erste
auf's Gerathewohl fürbaß schwankend. "Und zu den
Füßen der Frau Amtmännin --"

In diesem Augenblick schlug eine Glocke hinter ihm.
Seine Glocke! Die Thurmglocke des weiland Klosters
und der großen Schule Amelungsborn, die er gestern
noch aufgezogen hatte, und die allein richtig ging am
hiesigen Ort in diesen Zeiten der Unrichtigkeit, des Un¬
rechts und der Ungerechtigkeit.

Sechs Uhr!

Sie Alle -- zwischen der Weser und der Hube --
hatten den Tag noch vor sich; Die nämlich, so um diese
Stunde nach begonnener Bataille noch nicht ganz auf

bannter, von dem die Alten reden, war je in ſolcher
Weiſe und unter ſolchen Umſtänden vor die Thür ge¬
ſetzet worden, wie er — der Magiſter Buchius!

Er war ſo ſehr im Kreiſe gedreht worden, und
der Nebel war ſo dick, daß er, der jetzt in's Elend
Getriebene, nicht einmal mehr wußte, wohin er ſich zu
wenden habe, um, wenn er wollte, auf Umwegen, ſeinen
Winkel unterm Dache, die Zelle des Bruders Philemon
wiederzugewinnen. Er hätte ſich nach dem Kanonen¬
donner richten können; aber der brach ſich eben ſo viel¬
fach an den Bergwänden wie innerhalb der Wände
ſeiner Hirnſchale. Der Lärm war hinter ihm, vor
ihm, über ihm und in ihm.

„Der Herr Profeſſor würden den Herrn Amtmann
wohl als einen todten Leichnam zu Ihren Füßen zu¬
rückgelaſſen haben,“ ſagte Magiſter Buchius, für's Erſte
auf's Gerathewohl fürbaß ſchwankend. „Und zu den
Füßen der Frau Amtmännin —“

In dieſem Augenblick ſchlug eine Glocke hinter ihm.
Seine Glocke! Die Thurmglocke des weiland Kloſters
und der großen Schule Amelungsborn, die er geſtern
noch aufgezogen hatte, und die allein richtig ging am
hieſigen Ort in dieſen Zeiten der Unrichtigkeit, des Un¬
rechts und der Ungerechtigkeit.

Sechs Uhr!

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[152/0160] bannter, von dem die Alten reden, war je in ſolcher Weiſe und unter ſolchen Umſtänden vor die Thür ge¬ ſetzet worden, wie er — der Magiſter Buchius! Er war ſo ſehr im Kreiſe gedreht worden, und der Nebel war ſo dick, daß er, der jetzt in's Elend Getriebene, nicht einmal mehr wußte, wohin er ſich zu wenden habe, um, wenn er wollte, auf Umwegen, ſeinen Winkel unterm Dache, die Zelle des Bruders Philemon wiederzugewinnen. Er hätte ſich nach dem Kanonen¬ donner richten können; aber der brach ſich eben ſo viel¬ fach an den Bergwänden wie innerhalb der Wände ſeiner Hirnſchale. Der Lärm war hinter ihm, vor ihm, über ihm und in ihm. „Der Herr Profeſſor würden den Herrn Amtmann wohl als einen todten Leichnam zu Ihren Füßen zu¬ rückgelaſſen haben,“ ſagte Magiſter Buchius, für's Erſte auf's Gerathewohl fürbaß ſchwankend. „Und zu den Füßen der Frau Amtmännin —“ In dieſem Augenblick ſchlug eine Glocke hinter ihm. Seine Glocke! Die Thurmglocke des weiland Kloſters und der großen Schule Amelungsborn, die er geſtern noch aufgezogen hatte, und die allein richtig ging am hieſigen Ort in dieſen Zeiten der Unrichtigkeit, des Un¬ rechts und der Ungerechtigkeit. Sechs Uhr! Sie Alle — zwiſchen der Weſer und der Hube — hatten den Tag noch vor ſich; Die nämlich, ſo um dieſe Stunde nach begonnener Bataille noch nicht ganz auf

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/160>, abgerufen am 24.11.2024.