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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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kommen soll," sagte er. "Wir können nur erleben
was Du willst, Herr Zebaoth, Herr der Heerschaaren!"

Da -- jetzt -- wenn er nur dem Weinen nahe
gewesen war, klang jetzt -- hier ein wirkliches ernstge¬
meintes Weinen, mit dem auch der Herzog Ferdinand
und sein Generalstab nur mittelbar zu thun hatten, an
sein Ohr. Und dazu die wehklagenden Worte:

"Ach Heinrich, Heinrich, so sage doch nur noch einmal ein
allereinzigstes Wort zu mir! Kannst Du Dich denn auf
gar nichts mehr zu meinem Troste besinnen? O Jesus
Christus, das ist ja schlimmer, als wenn wir Beide
gleich im Kloster in ihrer Gewalt zu Tode gekommen
wären!"......

Der Magister hatte nur fünf oder zehn Schritte in
den Nebel und Dampf hinein zu thun, um zu er¬
kunden, wer da so jammervoll wimmere und seiner
Angst und Noth Luft mache. Aber er hatte das kaum
nöthig. Die Stimme war ihm bekannt genug; gestern
Abend hatte er sie noch auf seiner Stube gehört, vor
dem Kreidestrich auf seinem Tische, der den Lauf der
Weser zwischen den Heereshaufen der hohen Krieg¬
führenden bedeuten sollte. Er that die paar Schritte
rasch, wobei er den Kämpfer von gestern Abend, den
er bis jetzt noch immer in der Hand gehalten hatte,
zu den übrigen weithin den Boden bedeckenden glor¬
reich gefallenen Kameraden warf. Und er faltete die
Hände über dem Stockknopf vor der kläglichen Gruppe
und rief:

kommen ſoll,“ ſagte er. „Wir können nur erleben
was Du willſt, Herr Zebaoth, Herr der Heerſchaaren!“

Da — jetzt — wenn er nur dem Weinen nahe
geweſen war, klang jetzt — hier ein wirkliches ernſtge¬
meintes Weinen, mit dem auch der Herzog Ferdinand
und ſein Generalſtab nur mittelbar zu thun hatten, an
ſein Ohr. Und dazu die wehklagenden Worte:

„Ach Heinrich, Heinrich, ſo ſage doch nur noch einmal ein
allereinzigſtes Wort zu mir! Kannſt Du Dich denn auf
gar nichts mehr zu meinem Troſte beſinnen? O Jeſus
Chriſtus, das iſt ja ſchlimmer, als wenn wir Beide
gleich im Kloſter in ihrer Gewalt zu Tode gekommen
wären!“......

Der Magiſter hatte nur fünf oder zehn Schritte in
den Nebel und Dampf hinein zu thun, um zu er¬
kunden, wer da ſo jammervoll wimmere und ſeiner
Angſt und Noth Luft mache. Aber er hatte das kaum
nöthig. Die Stimme war ihm bekannt genug; geſtern
Abend hatte er ſie noch auf ſeiner Stube gehört, vor
dem Kreideſtrich auf ſeinem Tiſche, der den Lauf der
Weſer zwiſchen den Heereshaufen der hohen Krieg¬
führenden bedeuten ſollte. Er that die paar Schritte
raſch, wobei er den Kämpfer von geſtern Abend, den
er bis jetzt noch immer in der Hand gehalten hatte,
zu den übrigen weithin den Boden bedeckenden glor¬
reich gefallenen Kameraden warf. Und er faltete die
Hände über dem Stockknopf vor der kläglichen Gruppe
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[157/0165] kommen ſoll,“ ſagte er. „Wir können nur erleben was Du willſt, Herr Zebaoth, Herr der Heerſchaaren!“ Da — jetzt — wenn er nur dem Weinen nahe geweſen war, klang jetzt — hier ein wirkliches ernſtge¬ meintes Weinen, mit dem auch der Herzog Ferdinand und ſein Generalſtab nur mittelbar zu thun hatten, an ſein Ohr. Und dazu die wehklagenden Worte: „Ach Heinrich, Heinrich, ſo ſage doch nur noch einmal ein allereinzigſtes Wort zu mir! Kannſt Du Dich denn auf gar nichts mehr zu meinem Troſte beſinnen? O Jeſus Chriſtus, das iſt ja ſchlimmer, als wenn wir Beide gleich im Kloſter in ihrer Gewalt zu Tode gekommen wären!“...... Der Magiſter hatte nur fünf oder zehn Schritte in den Nebel und Dampf hinein zu thun, um zu er¬ kunden, wer da ſo jammervoll wimmere und ſeiner Angſt und Noth Luft mache. Aber er hatte das kaum nöthig. Die Stimme war ihm bekannt genug; geſtern Abend hatte er ſie noch auf ſeiner Stube gehört, vor dem Kreideſtrich auf ſeinem Tiſche, der den Lauf der Weſer zwiſchen den Heereshaufen der hohen Krieg¬ führenden bedeuten ſollte. Er that die paar Schritte raſch, wobei er den Kämpfer von geſtern Abend, den er bis jetzt noch immer in der Hand gehalten hatte, zu den übrigen weithin den Boden bedeckenden glor¬ reich gefallenen Kameraden warf. Und er faltete die Hände über dem Stockknopf vor der kläglichen Gruppe und rief:

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/165>, abgerufen am 21.11.2024.