Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

"O Wieschen, bist Du es denn auch? Ihr Beide
seid's? Jawohl, jawohl, ich weiß schon! ich sehe, ich
sehe schon! O Wieschen, hat er denn sein Leben für
Dich dran gesetzt?"

Das arme Mädchen, ein gut oder vielmehr schlimmer
Theil zerzauster als Mamsell Selinde von den Griffen
von Navarra, Salis, Boccard und Reding, lag da im
feuchten Moor auf den Knieen, den blutigen Kopf des
Knechtes Heinrich Schelze im Schooße. Beim mitleids¬
vollen Anruf des alten Herrn stieß sie einen Freuden¬
schrei aus:

"Heinrich! Heinrich! der Herr Magister! Um Gott
und Jesu Willen, Heinrich, der Herr Magister, den uns
der liebe Gott zu Hülfe schickt! So besinne Dich doch
noch ein einzigstes Mal auf Dich und mich, Heinrich!
Hier ist ja auch der Herr Magister Buchius, im Katt¬
hagen vom liebsten Herrgott in der Höhe zu uns ge¬
sendet. Herr Magister, ja, er hat mich aus der
schlechten Menschen Händen gerissen, und sie haben auf
uns eingeschlagen und geschossen, und er hat mich auf
den Armen getragen, und ich habe ihn getragen als er
umgefallen ist auf dem Felde im Nebel, und nun
kömmt er mir um in den Armen und kann sich auf
nichts mehr besinnen!"

Der verwundete Knecht stöhnte schwer in den Armen
seines Schatzes; aber unter dem Zuruf des Mädchens
und bei der Namensnennung besann er sich doch noch
einmal. Er versuchte es, sich aufzurichten, die blutigen

„O Wieſchen, biſt Du es denn auch? Ihr Beide
ſeid's? Jawohl, jawohl, ich weiß ſchon! ich ſehe, ich
ſehe ſchon! O Wieſchen, hat er denn ſein Leben für
Dich dran geſetzt?“

Das arme Mädchen, ein gut oder vielmehr ſchlimmer
Theil zerzauſter als Mamſell Selinde von den Griffen
von Navarra, Salis, Boccard und Reding, lag da im
feuchten Moor auf den Knieen, den blutigen Kopf des
Knechtes Heinrich Schelze im Schooße. Beim mitleids¬
vollen Anruf des alten Herrn ſtieß ſie einen Freuden¬
ſchrei aus:

„Heinrich! Heinrich! der Herr Magiſter! Um Gott
und Jeſu Willen, Heinrich, der Herr Magiſter, den uns
der liebe Gott zu Hülfe ſchickt! So beſinne Dich doch
noch ein einzigſtes Mal auf Dich und mich, Heinrich!
Hier iſt ja auch der Herr Magiſter Buchius, im Katt¬
hagen vom liebſten Herrgott in der Höhe zu uns ge¬
ſendet. Herr Magiſter, ja, er hat mich aus der
ſchlechten Menſchen Händen geriſſen, und ſie haben auf
uns eingeſchlagen und geſchoſſen, und er hat mich auf
den Armen getragen, und ich habe ihn getragen als er
umgefallen iſt auf dem Felde im Nebel, und nun
kömmt er mir um in den Armen und kann ſich auf
nichts mehr beſinnen!“

Der verwundete Knecht ſtöhnte ſchwer in den Armen
ſeines Schatzes; aber unter dem Zuruf des Mädchens
und bei der Namensnennung beſann er ſich doch noch
einmal. Er verſuchte es, ſich aufzurichten, die blutigen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0166" n="158"/>
        <p>&#x201E;O Wie&#x017F;chen, bi&#x017F;t Du es denn auch? Ihr Beide<lb/>
&#x017F;eid's? Jawohl, jawohl, ich weiß &#x017F;chon! ich &#x017F;ehe, ich<lb/>
&#x017F;ehe &#x017F;chon! O Wie&#x017F;chen, hat er denn &#x017F;ein Leben für<lb/>
Dich dran ge&#x017F;etzt?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Das arme Mädchen, ein gut oder vielmehr &#x017F;chlimmer<lb/>
Theil zerzau&#x017F;ter als Mam&#x017F;ell Selinde von den Griffen<lb/>
von Navarra, Salis, Boccard und Reding, lag da im<lb/>
feuchten Moor auf den Knieen, den blutigen Kopf des<lb/>
Knechtes Heinrich Schelze im Schooße. Beim mitleids¬<lb/>
vollen Anruf des alten Herrn &#x017F;tieß &#x017F;ie einen Freuden¬<lb/>
&#x017F;chrei aus:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Heinrich! Heinrich! der Herr Magi&#x017F;ter! Um Gott<lb/>
und Je&#x017F;u Willen, Heinrich, der Herr Magi&#x017F;ter, den uns<lb/>
der liebe Gott zu Hülfe &#x017F;chickt! So be&#x017F;inne Dich doch<lb/>
noch ein einzig&#x017F;tes Mal auf Dich und mich, Heinrich!<lb/>
Hier i&#x017F;t ja auch der Herr Magi&#x017F;ter Buchius, <choice><sic>tm</sic><corr>im</corr></choice> Katt¬<lb/>
hagen vom lieb&#x017F;ten Herrgott in der Höhe zu uns ge¬<lb/>
&#x017F;endet. Herr Magi&#x017F;ter, ja, er hat mich aus der<lb/>
&#x017F;chlechten Men&#x017F;chen Händen geri&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;ie haben auf<lb/>
uns einge&#x017F;chlagen und ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en, und er hat mich auf<lb/>
den Armen getragen, und ich habe ihn getragen als er<lb/>
umgefallen i&#x017F;t auf dem Felde im Nebel, und nun<lb/>
kömmt er mir um in den Armen und kann &#x017F;ich auf<lb/>
nichts mehr be&#x017F;innen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der verwundete Knecht &#x017F;töhnte &#x017F;chwer in den Armen<lb/>
&#x017F;eines Schatzes; aber unter dem Zuruf des Mädchens<lb/>
und bei der Namensnennung be&#x017F;ann er &#x017F;ich doch noch<lb/>
einmal. Er ver&#x017F;uchte es, &#x017F;ich aufzurichten, <choice><sic>ie blutigend</sic><corr>die blutigen</corr></choice><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0166] „O Wieſchen, biſt Du es denn auch? Ihr Beide ſeid's? Jawohl, jawohl, ich weiß ſchon! ich ſehe, ich ſehe ſchon! O Wieſchen, hat er denn ſein Leben für Dich dran geſetzt?“ Das arme Mädchen, ein gut oder vielmehr ſchlimmer Theil zerzauſter als Mamſell Selinde von den Griffen von Navarra, Salis, Boccard und Reding, lag da im feuchten Moor auf den Knieen, den blutigen Kopf des Knechtes Heinrich Schelze im Schooße. Beim mitleids¬ vollen Anruf des alten Herrn ſtieß ſie einen Freuden¬ ſchrei aus: „Heinrich! Heinrich! der Herr Magiſter! Um Gott und Jeſu Willen, Heinrich, der Herr Magiſter, den uns der liebe Gott zu Hülfe ſchickt! So beſinne Dich doch noch ein einzigſtes Mal auf Dich und mich, Heinrich! Hier iſt ja auch der Herr Magiſter Buchius, im Katt¬ hagen vom liebſten Herrgott in der Höhe zu uns ge¬ ſendet. Herr Magiſter, ja, er hat mich aus der ſchlechten Menſchen Händen geriſſen, und ſie haben auf uns eingeſchlagen und geſchoſſen, und er hat mich auf den Armen getragen, und ich habe ihn getragen als er umgefallen iſt auf dem Felde im Nebel, und nun kömmt er mir um in den Armen und kann ſich auf nichts mehr beſinnen!“ Der verwundete Knecht ſtöhnte ſchwer in den Armen ſeines Schatzes; aber unter dem Zuruf des Mädchens und bei der Namensnennung beſann er ſich doch noch einmal. Er verſuchte es, ſich aufzurichten, die blutigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/166
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/166>, abgerufen am 21.11.2024.