Wenn er aber den Nebel über dem Odfelde noch ausnutzen wollte, so war's die höchste Zeit. Es kam schon eine Bewegung in ihn hinein; ein Heben und Sinken, ein Zerren und Zupfen. Es kam ein hartes, nasses, kaltes Wehen aus Osten, das den Dampf von dem Schlachtfelde und dem Wodansfelde gegen den Vogler trieb, und bald die Welt und ihre Kreatur, ihr wimmelnd Gewühl, ihre Blutlachen, zerfahrenen Wege, zerstampften Felder noch einmal im trüben Herbstmorgen¬ licht bloßlegen und -- den Magister Buchius, des Herrn Klosteramtmanns Schimmel mit dem Knecht Heinrich und der Hausmagd Wieschen drauf, und Mamsell Se¬ linde jeglichem mörderischen Zugreifen Allerchristlichen Majestät oder auch der hohen Alliirten auf offener Haide preisgeben mußte.
"Könnten wir den Rothen Stein erreichen, so wären wir wohl geborgen, Thedel," meinte der Magister.
"Wenn wir noch Platz und nicht ganz Holzen -- das ganze Dorf mit Kind und Kegel drin unterge¬ krochen fänden," lachte der Schüler. "Denen geht's jetzt am hitzigsten über die Kappen, und sie kennen die Ortsgelegenheit und sind ihr am nächsten. Hört, wie es gerade ihnen über den Köpfen gewittert! Wir trei¬ ben dort diesmal keine Schatzgräberei im Bauche der Erden, Herr Magister."
Magister Buchius schüttelte das Haupt und wies die seltsame Erinnerung an frühere ruhigere Zeit fast unmuthig von sich. Dieses erinnerte ihn wieder nur
Wenn er aber den Nebel über dem Odfelde noch ausnutzen wollte, ſo war's die höchſte Zeit. Es kam ſchon eine Bewegung in ihn hinein; ein Heben und Sinken, ein Zerren und Zupfen. Es kam ein hartes, naſſes, kaltes Wehen aus Oſten, das den Dampf von dem Schlachtfelde und dem Wodansfelde gegen den Vogler trieb, und bald die Welt und ihre Kreatur, ihr wimmelnd Gewühl, ihre Blutlachen, zerfahrenen Wege, zerſtampften Felder noch einmal im trüben Herbſtmorgen¬ licht bloßlegen und — den Magiſter Buchius, des Herrn Kloſteramtmanns Schimmel mit dem Knecht Heinrich und der Hausmagd Wieſchen drauf, und Mamſell Se¬ linde jeglichem mörderiſchen Zugreifen Allerchriſtlichen Majeſtät oder auch der hohen Alliirten auf offener Haide preisgeben mußte.
„Könnten wir den Rothen Stein erreichen, ſo wären wir wohl geborgen, Thedel,“ meinte der Magiſter.
„Wenn wir noch Platz und nicht ganz Holzen — das ganze Dorf mit Kind und Kegel drin unterge¬ krochen fänden,“ lachte der Schüler. „Denen geht's jetzt am hitzigſten über die Kappen, und ſie kennen die Ortsgelegenheit und ſind ihr am nächſten. Hört, wie es gerade ihnen über den Köpfen gewittert! Wir trei¬ ben dort diesmal keine Schatzgräberei im Bauche der Erden, Herr Magiſter.“
Magiſter Buchius ſchüttelte das Haupt und wies die ſeltſame Erinnerung an frühere ruhigere Zeit faſt unmuthig von ſich. Dieſes erinnerte ihn wieder nur
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Wenn er aber den Nebel über dem Odfelde noch
ausnutzen wollte, ſo war's die höchſte Zeit. Es kam
ſchon eine Bewegung in ihn hinein; ein Heben und
Sinken, ein Zerren und Zupfen. Es kam ein hartes,
naſſes, kaltes Wehen aus Oſten, das den Dampf von
dem Schlachtfelde und dem Wodansfelde gegen den
Vogler trieb, und bald die Welt und ihre Kreatur, ihr
wimmelnd Gewühl, ihre Blutlachen, zerfahrenen Wege,
zerſtampften Felder noch einmal im trüben Herbſtmorgen¬
licht bloßlegen und — den Magiſter Buchius, des Herrn
Kloſteramtmanns Schimmel mit dem Knecht Heinrich
und der Hausmagd Wieſchen drauf, und Mamſell Se¬
linde jeglichem mörderiſchen Zugreifen Allerchriſtlichen
Majeſtät oder auch der hohen Alliirten auf offener
Haide preisgeben mußte.
„Könnten wir den Rothen Stein erreichen, ſo wären
wir wohl geborgen, Thedel,“ meinte der Magiſter.
„Wenn wir noch Platz und nicht ganz Holzen —
das ganze Dorf mit Kind und Kegel drin unterge¬
krochen fänden,“ lachte der Schüler. „Denen geht's
jetzt am hitzigſten über die Kappen, und ſie kennen die
Ortsgelegenheit und ſind ihr am nächſten. Hört, wie
es gerade ihnen über den Köpfen gewittert! Wir trei¬
ben dort diesmal keine Schatzgräberei im Bauche der
Erden, Herr Magiſter.“
Magiſter Buchius ſchüttelte das Haupt und wies
die ſeltſame Erinnerung an frühere ruhigere Zeit faſt
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/179>, abgerufen am 21.11.2024.
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