Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

zimmersacktuch -- Teufel, das Blut! Haben der Herr
Magister nichts von Eßbarem gefunden?"

"Alles blutig! alles voll Blut," murmelte der alte
Herr schaudernd, einen Knorren angenagten, schauerlich
feuchten schwarzen Roggenbrodes hinüber zeigend, das
er mit zitternder Hand herausgeholt hatte aus dem
Bündel wollener Socken, Hemden, Fußlappen, welches
aus dem Knappsack des Kurfürsten von Hannover ge¬
fallen war.

"Eine Paternosterschnur aus Bernsteinkugeln mit
einem silbernen Kreuz --"

"Hat der Schlingel auch nicht bei seinen Haid¬
schnukken gefunden. Hat er von drüben her aus West¬
falen zum Andenken sich mitgebracht," meinte der Junker
und fügte kläglichst hinzu: "O je, o je, o Herr Gott,
vergieb mir meine Sünden und mein freches Maul im
Coenacul, wenn die amelungsborner schwarze Suppe
versalzen oder angebrannt war, und wir Sparter Panier
aufwarfen gegen Küche, Koch, Rector und Amtmann."

"Sieht Er dies jetzo ein, lieber Münchhausen?" fragte
Magister Buchius, plötzlich ganz als Schulmeister --
zum erstenmal an diesem Tage. "Habe ich Ihm diesen
Seinen Seufzer nicht hundertmal prophezeiet? Er war
Einer von den Schlimmsten jederzeit und hat mir freilich
durch Seine lose Zunge manch' Unbehagen zubereitet,
und ich habe es Ihm mit Kummer nicht verhehlen
können, daß Zeiten kommen könnten, da --"

"Mademoiselle!" rief der Schüler plötzlich in einem

zimmerſacktuch — Teufel, das Blut! Haben der Herr
Magiſter nichts von Eßbarem gefunden?“

„Alles blutig! alles voll Blut,“ murmelte der alte
Herr ſchaudernd, einen Knorren angenagten, ſchauerlich
feuchten ſchwarzen Roggenbrodes hinüber zeigend, das
er mit zitternder Hand herausgeholt hatte aus dem
Bündel wollener Socken, Hemden, Fußlappen, welches
aus dem Knappſack des Kurfürſten von Hannover ge¬
fallen war.

„Eine Paternoſterſchnur aus Bernſteinkugeln mit
einem ſilbernen Kreuz —“

„Hat der Schlingel auch nicht bei ſeinen Haid¬
ſchnukken gefunden. Hat er von drüben her aus Weſt¬
falen zum Andenken ſich mitgebracht,“ meinte der Junker
und fügte kläglichſt hinzu: „O je, o je, o Herr Gott,
vergieb mir meine Sünden und mein freches Maul im
Coenacul, wenn die amelungsborner ſchwarze Suppe
verſalzen oder angebrannt war, und wir Sparter Panier
aufwarfen gegen Küche, Koch, Rector und Amtmann.“

„Sieht Er dies jetzo ein, lieber Münchhauſen?“ fragte
Magiſter Buchius, plötzlich ganz als Schulmeiſter —
zum erſtenmal an dieſem Tage. „Habe ich Ihm dieſen
Seinen Seufzer nicht hundertmal prophezeiet? Er war
Einer von den Schlimmſten jederzeit und hat mir freilich
durch Seine loſe Zunge manch' Unbehagen zubereitet,
und ich habe es Ihm mit Kummer nicht verhehlen
können, daß Zeiten kommen könnten, da —“

„Mademoiſelle!“ rief der Schüler plötzlich in einem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0214" n="206"/>
zimmer&#x017F;acktuch &#x2014; Teufel, das Blut! Haben der Herr<lb/>
Magi&#x017F;ter nichts von Eßbarem gefunden?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Alles blutig! alles voll Blut,&#x201C; murmelte der alte<lb/>
Herr &#x017F;chaudernd, einen Knorren angenagten, &#x017F;chauerlich<lb/>
feuchten &#x017F;chwarzen Roggenbrodes hinüber zeigend, das<lb/>
er mit zitternder Hand herausgeholt hatte aus dem<lb/>
Bündel wollener Socken, Hemden, Fußlappen, welches<lb/>
aus dem Knapp&#x017F;ack des Kurfür&#x017F;ten von Hannover ge¬<lb/>
fallen war.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Eine Paterno&#x017F;ter&#x017F;chnur aus Bern&#x017F;teinkugeln mit<lb/>
einem &#x017F;ilbernen Kreuz &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hat der Schlingel auch nicht bei &#x017F;einen Haid¬<lb/>
&#x017F;chnukken gefunden. Hat er von drüben her aus We&#x017F;<lb/>
falen zum Andenken &#x017F;ich mitgebracht,&#x201C; meinte der Junker<lb/>
und fügte kläglich&#x017F;t hinzu: &#x201E;O je, o je, o Herr Gott,<lb/>
vergieb mir meine Sünden und mein freches Maul im<lb/>
Coenacul, wenn die amelungsborner &#x017F;chwarze Suppe<lb/>
ver&#x017F;alzen oder angebrannt war, und wir Sparter Panier<lb/>
aufwarfen gegen Küche, Koch, Rector und Amtmann.&#x201C;<lb/></p>
        <p>&#x201E;Sieht Er dies jetzo ein, lieber Münchhau&#x017F;en?&#x201C; fragte<lb/>
Magi&#x017F;ter Buchius, plötzlich ganz als Schulmei&#x017F;ter &#x2014;<lb/>
zum er&#x017F;tenmal an die&#x017F;em Tage. &#x201E;Habe ich Ihm die&#x017F;en<lb/>
Seinen Seufzer nicht hundertmal prophezeiet? Er war<lb/>
Einer von den Schlimm&#x017F;ten jederzeit und hat mir freilich<lb/>
durch Seine lo&#x017F;e Zunge manch' Unbehagen zubereitet,<lb/>
und ich habe es Ihm mit Kummer nicht verhehlen<lb/>
können, daß Zeiten kommen könnten, da &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mademoi&#x017F;elle!&#x201C; rief der Schüler plötzlich in einem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[206/0214] zimmerſacktuch — Teufel, das Blut! Haben der Herr Magiſter nichts von Eßbarem gefunden?“ „Alles blutig! alles voll Blut,“ murmelte der alte Herr ſchaudernd, einen Knorren angenagten, ſchauerlich feuchten ſchwarzen Roggenbrodes hinüber zeigend, das er mit zitternder Hand herausgeholt hatte aus dem Bündel wollener Socken, Hemden, Fußlappen, welches aus dem Knappſack des Kurfürſten von Hannover ge¬ fallen war. „Eine Paternoſterſchnur aus Bernſteinkugeln mit einem ſilbernen Kreuz —“ „Hat der Schlingel auch nicht bei ſeinen Haid¬ ſchnukken gefunden. Hat er von drüben her aus Weſt¬ falen zum Andenken ſich mitgebracht,“ meinte der Junker und fügte kläglichſt hinzu: „O je, o je, o Herr Gott, vergieb mir meine Sünden und mein freches Maul im Coenacul, wenn die amelungsborner ſchwarze Suppe verſalzen oder angebrannt war, und wir Sparter Panier aufwarfen gegen Küche, Koch, Rector und Amtmann.“ „Sieht Er dies jetzo ein, lieber Münchhauſen?“ fragte Magiſter Buchius, plötzlich ganz als Schulmeiſter — zum erſtenmal an dieſem Tage. „Habe ich Ihm dieſen Seinen Seufzer nicht hundertmal prophezeiet? Er war Einer von den Schlimmſten jederzeit und hat mir freilich durch Seine loſe Zunge manch' Unbehagen zubereitet, und ich habe es Ihm mit Kummer nicht verhehlen können, daß Zeiten kommen könnten, da —“ „Mademoiſelle!“ rief der Schüler plötzlich in einem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/214
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/214>, abgerufen am 21.11.2024.