Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

Caroli Magni abgeschlachtet hat, ehe und bevor Graf
Siegfried von der Bomeneburg, was wir heute die
Homburg heißen, unser Kloster anlegte und es mit dem
Hedfeld, dem Heidenfelde dotirte."

"Und dann, Herr Magister?" fragte jetzt selbst
Mamsell Selinde Fegebanck.

"Dann, meine liebste Mademoiselle, lösete sich Dieses,
so für den tagtäglichen Menschenverstand ganz und gar
außerhalb des Principii rationis sufficientis, will sagen,
des Satzes vom zureichenden Grunde lag, auf im
Flimmern der heißen Sonne über dem Trümmerge¬
stein und dem jungen Tannenwuchs, und nach einer
Weile mußte ich nach Hause, dieweil nun doch bald
die Glocke den Cötus von Amelungsborn zu Tische
läutete."

"Nihil est sine ratione sufficiente, Mamsell Se¬
linde," rief jetzt Thedel von Münchhausen. "Alles was
ist, muß seinen zureichenden Grund haben, die Amour
und der Haß! Auch die Wuth, die der alte Barde
auf unsern seligen, alten Waldbruder Amelung gehabt
haben muß. Herr Klopstock hätte von ihm nicht ver¬
langen können, daß er unter seinem erbeigenthümlichen
Herd und Küchenbrinke anstimme: Sing unsterbliche
Seele der sündigen Menschen Erlösung! Aber nun
lassen die Herren auch mich mal heran. Auch Unsereiner
hat wohl seine Spukgeschichten erlebt bei Tage und bei
Nacht in dem alten Spukekasten Amelungsborn und
draußen. Es ist bis unters Deckbett nicht immer ge¬

Caroli Magni abgeſchlachtet hat, ehe und bevor Graf
Siegfried von der Bomeneburg, was wir heute die
Homburg heißen, unſer Kloſter anlegte und es mit dem
Hedfeld, dem Heidenfelde dotirte.“

„Und dann, Herr Magiſter?“ fragte jetzt ſelbſt
Mamſell Selinde Fegebanck.

„Dann, meine liebſte Mademoiſelle, löſete ſich Dieſes,
ſo für den tagtäglichen Menſchenverſtand ganz und gar
außerhalb des Principii rationis sufficientis, will ſagen,
des Satzes vom zureichenden Grunde lag, auf im
Flimmern der heißen Sonne über dem Trümmerge¬
ſtein und dem jungen Tannenwuchs, und nach einer
Weile mußte ich nach Hauſe, dieweil nun doch bald
die Glocke den Cötus von Amelungsborn zu Tiſche
läutete.“

„Nihil est sine ratione sufficiente, Mamſell Se¬
linde,“ rief jetzt Thedel von Münchhauſen. „Alles was
iſt, muß ſeinen zureichenden Grund haben, die Amour
und der Haß! Auch die Wuth, die der alte Barde
auf unſern ſeligen, alten Waldbruder Amelung gehabt
haben muß. Herr Klopſtock hätte von ihm nicht ver¬
langen können, daß er unter ſeinem erbeigenthümlichen
Herd und Küchenbrinke anſtimme: Sing unſterbliche
Seele der ſündigen Menſchen Erlöſung! Aber nun
laſſen die Herren auch mich mal heran. Auch Unſereiner
hat wohl ſeine Spukgeſchichten erlebt bei Tage und bei
Nacht in dem alten Spukekaſten Amelungsborn und
draußen. Es iſt bis unters Deckbett nicht immer ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0229" n="221"/>
Caroli Magni abge&#x017F;chlachtet hat, ehe und bevor Graf<lb/>
Siegfried von der Bomeneburg, was wir heute die<lb/>
Homburg heißen, un&#x017F;er Klo&#x017F;ter anlegte und es mit dem<lb/>
Hedfeld, dem Heidenfelde dotirte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und dann, Herr Magi&#x017F;ter?&#x201C; fragte jetzt &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
Mam&#x017F;ell Selinde Fegebanck.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dann, meine lieb&#x017F;te Mademoi&#x017F;elle, lö&#x017F;ete &#x017F;ich Die&#x017F;es,<lb/>
&#x017F;o für den tagtäglichen Men&#x017F;chenver&#x017F;tand ganz und gar<lb/>
außerhalb des <hi rendition="#aq">Principii rationis sufficientis</hi>, will &#x017F;agen,<lb/>
des Satzes vom zureichenden Grunde lag, auf im<lb/>
Flimmern der heißen Sonne über dem Trümmerge¬<lb/>
&#x017F;tein und dem jungen Tannenwuchs, und nach einer<lb/>
Weile mußte ich nach Hau&#x017F;e, dieweil nun doch bald<lb/>
die Glocke den Cötus von Amelungsborn zu Ti&#x017F;che<lb/>
läutete.&#x201C;</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">&#x201E;Nihil est sine ratione sufficiente,</hi> Mam&#x017F;ell Se¬<lb/>
linde,&#x201C; rief jetzt Thedel von Münchhau&#x017F;en. &#x201E;Alles was<lb/>
i&#x017F;t, muß &#x017F;einen zureichenden Grund haben, die Amour<lb/>
und der Haß! Auch die Wuth, die der alte Barde<lb/>
auf un&#x017F;ern &#x017F;eligen, alten Waldbruder Amelung gehabt<lb/>
haben muß. Herr Klop&#x017F;tock hätte von ihm nicht ver¬<lb/>
langen können, daß er unter &#x017F;einem erbeigenthümlichen<lb/>
Herd und Küchenbrinke an&#x017F;timme: Sing un&#x017F;terbliche<lb/>
Seele der &#x017F;ündigen Men&#x017F;chen Erlö&#x017F;ung! Aber nun<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en die Herren auch mich mal heran. Auch Un&#x017F;ereiner<lb/>
hat wohl &#x017F;eine Spukge&#x017F;chichten erlebt bei Tage und bei<lb/>
Nacht in dem alten Spukeka&#x017F;ten Amelungsborn und<lb/>
draußen. Es i&#x017F;t bis unters Deckbett nicht immer ge¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0229] Caroli Magni abgeſchlachtet hat, ehe und bevor Graf Siegfried von der Bomeneburg, was wir heute die Homburg heißen, unſer Kloſter anlegte und es mit dem Hedfeld, dem Heidenfelde dotirte.“ „Und dann, Herr Magiſter?“ fragte jetzt ſelbſt Mamſell Selinde Fegebanck. „Dann, meine liebſte Mademoiſelle, löſete ſich Dieſes, ſo für den tagtäglichen Menſchenverſtand ganz und gar außerhalb des Principii rationis sufficientis, will ſagen, des Satzes vom zureichenden Grunde lag, auf im Flimmern der heißen Sonne über dem Trümmerge¬ ſtein und dem jungen Tannenwuchs, und nach einer Weile mußte ich nach Hauſe, dieweil nun doch bald die Glocke den Cötus von Amelungsborn zu Tiſche läutete.“ „Nihil est sine ratione sufficiente, Mamſell Se¬ linde,“ rief jetzt Thedel von Münchhauſen. „Alles was iſt, muß ſeinen zureichenden Grund haben, die Amour und der Haß! Auch die Wuth, die der alte Barde auf unſern ſeligen, alten Waldbruder Amelung gehabt haben muß. Herr Klopſtock hätte von ihm nicht ver¬ langen können, daß er unter ſeinem erbeigenthümlichen Herd und Küchenbrinke anſtimme: Sing unſterbliche Seele der ſündigen Menſchen Erlöſung! Aber nun laſſen die Herren auch mich mal heran. Auch Unſereiner hat wohl ſeine Spukgeſchichten erlebt bei Tage und bei Nacht in dem alten Spukekaſten Amelungsborn und draußen. Es iſt bis unters Deckbett nicht immer ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/229
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/229>, abgerufen am 21.11.2024.