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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Nach drei Uhr Nachmittags wurde es ganz still.
So still, daß es fast zu einem neuen Schrecken wurde.
Nur die Rauchwolke vom brennenden französischen Lager
bei Stadtoldendorf stieg noch immer auf, und man roch
den Krieg nur noch; man hörte ihn nicht mehr. Der
Feind war, wenn auch arg zerkratzt, ausgewichen nach
Osten und Süden; Hardenberg war bei Stadtoldendorf
angelangt und hatte Stellung daselbst genommen und
den Herzog Ferdinand in seinem Hauptquartier Wickensen
auch schon persönlich gesprochen: viel Angenehmes hatte
er wahrscheinlich nicht zu hören gekriegt, der Herr General¬
lieutenant; und die beste Rechtfertigung hilft nur zu
häufig nur dazu, den Verdruß noch größer zu machen.

Bald nachdem der Geschützdonner schwieg, machte
der Wind sich stärker auf. Es war Herbst, und es
wollte Winter werden und augenblicklich auch noch Abend
dazu: "Hoho," sagte der kalte Novemberwind im Katt¬
hagen, "was sollte nun der Lärm? Ich bin auch noch
da und pfeife auf euer Gepolter und blase in euern
Qualm. Hui, hui, es ist mir Ein Spiel mit euern

Dreiundzwanzigſtes Kapitel.

Nach drei Uhr Nachmittags wurde es ganz ſtill.
So ſtill, daß es faſt zu einem neuen Schrecken wurde.
Nur die Rauchwolke vom brennenden franzöſiſchen Lager
bei Stadtoldendorf ſtieg noch immer auf, und man roch
den Krieg nur noch; man hörte ihn nicht mehr. Der
Feind war, wenn auch arg zerkratzt, ausgewichen nach
Oſten und Süden; Hardenberg war bei Stadtoldendorf
angelangt und hatte Stellung daſelbſt genommen und
den Herzog Ferdinand in ſeinem Hauptquartier Wickenſen
auch ſchon perſönlich geſprochen: viel Angenehmes hatte
er wahrſcheinlich nicht zu hören gekriegt, der Herr General¬
lieutenant; und die beſte Rechtfertigung hilft nur zu
häufig nur dazu, den Verdruß noch größer zu machen.

Bald nachdem der Geſchützdonner ſchwieg, machte
der Wind ſich ſtärker auf. Es war Herbſt, und es
wollte Winter werden und augenblicklich auch noch Abend
dazu: „Hoho,“ ſagte der kalte Novemberwind im Katt¬
hagen, „was ſollte nun der Lärm? Ich bin auch noch
da und pfeife auf euer Gepolter und blaſe in euern
Qualm. Hui, hui, es iſt mir Ein Spiel mit euern

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[[267]/0275] Dreiundzwanzigſtes Kapitel. Nach drei Uhr Nachmittags wurde es ganz ſtill. So ſtill, daß es faſt zu einem neuen Schrecken wurde. Nur die Rauchwolke vom brennenden franzöſiſchen Lager bei Stadtoldendorf ſtieg noch immer auf, und man roch den Krieg nur noch; man hörte ihn nicht mehr. Der Feind war, wenn auch arg zerkratzt, ausgewichen nach Oſten und Süden; Hardenberg war bei Stadtoldendorf angelangt und hatte Stellung daſelbſt genommen und den Herzog Ferdinand in ſeinem Hauptquartier Wickenſen auch ſchon perſönlich geſprochen: viel Angenehmes hatte er wahrſcheinlich nicht zu hören gekriegt, der Herr General¬ lieutenant; und die beſte Rechtfertigung hilft nur zu häufig nur dazu, den Verdruß noch größer zu machen. Bald nachdem der Geſchützdonner ſchwieg, machte der Wind ſich ſtärker auf. Es war Herbſt, und es wollte Winter werden und augenblicklich auch noch Abend dazu: „Hoho,“ ſagte der kalte Novemberwind im Katt¬ hagen, „was ſollte nun der Lärm? Ich bin auch noch da und pfeife auf euer Gepolter und blaſe in euern Qualm. Hui, hui, es iſt mir Ein Spiel mit euern

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. [267]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/275>, abgerufen am 24.11.2024.