sonst so überleidigen Hausgenossen beide Hände hin¬ haltend.
Und Magister Buchius ergriff sie beide, während die Kinder alle an seinen zerfetzten schwarzen Rock¬ schößen hingen, um seine Kniee sich klammerten und ihm die Beine fast unterm Leibe wegzogen.
"Liebste, beste Frau," stammelte er, "Kinderchen, armes kleines Volk, arme liebe Schelme, es ist wohl gleich gewesen, wo wir uns heute verkrochen haben: ob über der Erde, ob unter ihr. Des Herrn Hand hat uns doch gefunden und herausgezogen unter die Ge¬ wappneten und uns hingeworfen unter ihren Fuß und Huf; aber seine Güte hat auch bis dahin gereichet: er hat uns aufbehalten und bewahret Einen für den Andern bis auf Einen. Den hat er hingenommen und weggeführet in seiner Jugend: -- er wird es ja wohl wissen, was das Beste für Den war. Kinderchen und Frau Amtmännin, draußen liegt er auf dem Odfelde in seinem eignen Blute, der letzte, der schlimmste, der beste Primus der Prima der alten echten wirklichen großen Schule zu Kloster Amelungsborn!"
"Himmel, Herr Magister, doch nicht der Schlingel der Thedel?" rief die Frau Klosteramtmännin!
"Der letzte Münchhausen aus Bevern! Seine Durch¬ laucht, Herzog Ferdinand von Braunschweig-Bevern haben ihn mit dem Herrn Vetter von Bodenwerder unter den englischen Reitern gegen den Franzosen ge¬ schickt und er hat den letzten Schlag auf ihn heute
ſonſt ſo überleidigen Hausgenoſſen beide Hände hin¬ haltend.
Und Magiſter Buchius ergriff ſie beide, während die Kinder alle an ſeinen zerfetzten ſchwarzen Rock¬ ſchößen hingen, um ſeine Kniee ſich klammerten und ihm die Beine faſt unterm Leibe wegzogen.
„Liebſte, beſte Frau,“ ſtammelte er, „Kinderchen, armes kleines Volk, arme liebe Schelme, es iſt wohl gleich geweſen, wo wir uns heute verkrochen haben: ob über der Erde, ob unter ihr. Des Herrn Hand hat uns doch gefunden und herausgezogen unter die Ge¬ wappneten und uns hingeworfen unter ihren Fuß und Huf; aber ſeine Güte hat auch bis dahin gereichet: er hat uns aufbehalten und bewahret Einen für den Andern bis auf Einen. Den hat er hingenommen und weggeführet in ſeiner Jugend: — er wird es ja wohl wiſſen, was das Beſte für Den war. Kinderchen und Frau Amtmännin, draußen liegt er auf dem Odfelde in ſeinem eignen Blute, der letzte, der ſchlimmſte, der beſte Primus der Prima der alten echten wirklichen großen Schule zu Kloſter Amelungsborn!“
„Himmel, Herr Magiſter, doch nicht der Schlingel der Thedel?“ rief die Frau Kloſteramtmännin!
„Der letzte Münchhauſen aus Bevern! Seine Durch¬ laucht, Herzog Ferdinand von Braunſchweig-Bevern haben ihn mit dem Herrn Vetter von Bodenwerder unter den engliſchen Reitern gegen den Franzoſen ge¬ ſchickt und er hat den letzten Schlag auf ihn heute
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0296"n="288"/>ſonſt ſo überleidigen Hausgenoſſen beide Hände hin¬<lb/>
haltend.</p><lb/><p>Und Magiſter Buchius ergriff ſie beide, während<lb/>
die Kinder alle an ſeinen zerfetzten ſchwarzen Rock¬<lb/>ſchößen hingen, um ſeine Kniee ſich klammerten und<lb/>
ihm die Beine faſt unterm Leibe wegzogen.</p><lb/><p>„Liebſte, beſte Frau,“ſtammelte er, „Kinderchen,<lb/>
armes kleines Volk, arme liebe Schelme, es iſt wohl<lb/>
gleich geweſen, wo wir uns heute verkrochen haben: ob<lb/>
über der Erde, ob unter ihr. Des Herrn Hand hat<lb/>
uns doch gefunden und herausgezogen unter die Ge¬<lb/>
wappneten und uns hingeworfen unter ihren Fuß und<lb/>
Huf; aber ſeine Güte hat auch bis dahin gereichet: er<lb/>
hat uns aufbehalten und bewahret Einen für den<lb/>
Andern bis auf Einen. Den hat er hingenommen und<lb/>
weggeführet in ſeiner Jugend: — er wird es ja wohl<lb/>
wiſſen, was das Beſte für Den war. Kinderchen und<lb/>
Frau Amtmännin, draußen liegt er auf dem Odfelde<lb/>
in ſeinem eignen Blute, der letzte, der ſchlimmſte, der<lb/>
beſte Primus der Prima der alten echten wirklichen<lb/>
großen Schule zu Kloſter Amelungsborn!“</p><lb/><p>„Himmel, Herr Magiſter, doch nicht der Schlingel<lb/>
der Thedel?“ rief die Frau Kloſteramtmännin!</p><lb/><p>„Der letzte Münchhauſen aus Bevern! Seine Durch¬<lb/>
laucht, Herzog Ferdinand von Braunſchweig-Bevern<lb/>
haben ihn mit dem Herrn Vetter von Bodenwerder<lb/>
unter den engliſchen Reitern gegen den Franzoſen ge¬<lb/>ſchickt und er hat den letzten Schlag auf ihn heute<lb/></p></div></body></text></TEI>
[288/0296]
ſonſt ſo überleidigen Hausgenoſſen beide Hände hin¬
haltend.
Und Magiſter Buchius ergriff ſie beide, während
die Kinder alle an ſeinen zerfetzten ſchwarzen Rock¬
ſchößen hingen, um ſeine Kniee ſich klammerten und
ihm die Beine faſt unterm Leibe wegzogen.
„Liebſte, beſte Frau,“ ſtammelte er, „Kinderchen,
armes kleines Volk, arme liebe Schelme, es iſt wohl
gleich geweſen, wo wir uns heute verkrochen haben: ob
über der Erde, ob unter ihr. Des Herrn Hand hat
uns doch gefunden und herausgezogen unter die Ge¬
wappneten und uns hingeworfen unter ihren Fuß und
Huf; aber ſeine Güte hat auch bis dahin gereichet: er
hat uns aufbehalten und bewahret Einen für den
Andern bis auf Einen. Den hat er hingenommen und
weggeführet in ſeiner Jugend: — er wird es ja wohl
wiſſen, was das Beſte für Den war. Kinderchen und
Frau Amtmännin, draußen liegt er auf dem Odfelde
in ſeinem eignen Blute, der letzte, der ſchlimmſte, der
beſte Primus der Prima der alten echten wirklichen
großen Schule zu Kloſter Amelungsborn!“
„Himmel, Herr Magiſter, doch nicht der Schlingel
der Thedel?“ rief die Frau Kloſteramtmännin!
„Der letzte Münchhauſen aus Bevern! Seine Durch¬
laucht, Herzog Ferdinand von Braunſchweig-Bevern
haben ihn mit dem Herrn Vetter von Bodenwerder
unter den engliſchen Reitern gegen den Franzoſen ge¬
ſchickt und er hat den letzten Schlag auf ihn heute
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/296>, abgerufen am 16.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.