"Der Einsamkeit?!" ächzte der Klosteramtmann von Amelungsborn. "In dieser Zeit des immerwährenden Tumults! ... Und als ob wir der unnützen Fresser nicht genug auf dem Hofe hätten! Und gar Solchen?!"
"Der Herr, der die Raben speiset, wird auch für diesen wohl noch ein Bröcklein abfallen lassen," sagte Magister Buchius. Leiser setzte er hinzu: "Hat er doch auch für mich zu jeder Zeit das Nothwendigste übrig gehabt."
"Er ist und bleibt ein schnurriger Patron, Herr," brummte der Amtmann. "Ich weiß es ja aber wohl, es ist nicht so leicht, wie es aussieht, Ihm Seinen Willen zu wenden, wenn Er sich einmal wieder eine neue Grille eingefangen und in den Kopf gesetzt hat. Eh vraiment, Sein Gott sei Dank zum Satan ver¬ zogener Conventus, Lehrerschaft und Schlingelschaft, hat wohl gewußt, was er an Ihm gehabt und aufgegeben hat. Na, zum wenigsten mache Er jetzt der Hantierung mit dem Geschöpf ein Ende und komme Er mit nach Hause; wenn Er sich nicht vielleicht auch noch ein paar Leichname von diesem kurieusen Champ de bataille in den Taschen zum Abendbraten mitnehmen will. Es wird vollständig Nacht sein, ehe wir am Kloster sind; und wer weiß, was für neueste Nachricht und aller¬ neuestes Malör uns dort erwartet, nach diesem Por -- Por -- Prodigium, oder wie Er es sonst nennt, was wir hier eben mit leiblichen Augen gesehen und mit aufgehobenen Schwurfingern bezeugen können, obgleich
„Der Einſamkeit?!“ ächzte der Kloſteramtmann von Amelungsborn. „In dieſer Zeit des immerwährenden Tumults! ... Und als ob wir der unnützen Freſſer nicht genug auf dem Hofe hätten! Und gar Solchen?!“
„Der Herr, der die Raben ſpeiſet, wird auch für dieſen wohl noch ein Bröcklein abfallen laſſen,“ ſagte Magiſter Buchius. Leiſer ſetzte er hinzu: „Hat er doch auch für mich zu jeder Zeit das Nothwendigſte übrig gehabt.“
„Er iſt und bleibt ein ſchnurriger Patron, Herr,“ brummte der Amtmann. „Ich weiß es ja aber wohl, es iſt nicht ſo leicht, wie es ausſieht, Ihm Seinen Willen zu wenden, wenn Er ſich einmal wieder eine neue Grille eingefangen und in den Kopf geſetzt hat. Eh vraiment, Sein Gott ſei Dank zum Satan ver¬ zogener Conventus, Lehrerſchaft und Schlingelſchaft, hat wohl gewußt, was er an Ihm gehabt und aufgegeben hat. Na, zum wenigſten mache Er jetzt der Hantierung mit dem Geſchöpf ein Ende und komme Er mit nach Hauſe; wenn Er ſich nicht vielleicht auch noch ein paar Leichname von dieſem kurieuſen Champ de bataille in den Taſchen zum Abendbraten mitnehmen will. Es wird vollſtändig Nacht ſein, ehe wir am Kloſter ſind; und wer weiß, was für neueſte Nachricht und aller¬ neueſtes Malör uns dort erwartet, nach dieſem Por — Por — Prodigium, oder wie Er es ſonſt nennt, was wir hier eben mit leiblichen Augen geſehen und mit aufgehobenen Schwurfingern bezeugen können, obgleich
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„Der Einſamkeit?!“ ächzte der Kloſteramtmann von
Amelungsborn. „In dieſer Zeit des immerwährenden
Tumults! ... Und als ob wir der unnützen Freſſer
nicht genug auf dem Hofe hätten! Und gar Solchen?!“
„Der Herr, der die Raben ſpeiſet, wird auch für
dieſen wohl noch ein Bröcklein abfallen laſſen,“ ſagte
Magiſter Buchius. Leiſer ſetzte er hinzu: „Hat er
doch auch für mich zu jeder Zeit das Nothwendigſte
übrig gehabt.“
„Er iſt und bleibt ein ſchnurriger Patron, Herr,“
brummte der Amtmann. „Ich weiß es ja aber wohl,
es iſt nicht ſo leicht, wie es ausſieht, Ihm Seinen
Willen zu wenden, wenn Er ſich einmal wieder eine
neue Grille eingefangen und in den Kopf geſetzt hat.
Eh vraiment, Sein Gott ſei Dank zum Satan ver¬
zogener Conventus, Lehrerſchaft und Schlingelſchaft, hat
wohl gewußt, was er an Ihm gehabt und aufgegeben
hat. Na, zum wenigſten mache Er jetzt der Hantierung
mit dem Geſchöpf ein Ende und komme Er mit nach
Hauſe; wenn Er ſich nicht vielleicht auch noch ein paar
Leichname von dieſem kurieuſen Champ de bataille in
den Taſchen zum Abendbraten mitnehmen will. Es
wird vollſtändig Nacht ſein, ehe wir am Kloſter ſind;
und wer weiß, was für neueſte Nachricht und aller¬
neueſtes Malör uns dort erwartet, nach dieſem Por —
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wir hier eben mit leiblichen Augen geſehen und mit
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/47>, abgerufen am 21.11.2024.
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