Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

"No. 23. Ein barbarisch Horn vom Urochsen, Bos
primigenius
; auch Wisent genannt. Ehedem von den
Barden beim Gottesdienst und in der Bataille zum
Tuten gebraucht. Dieses hier vorhandene Exemplar soll
sich im Kuhhirtenhause zu Lenne hinter dem Till vor¬
gefunden haben. NB. mir von denen Herren Prima¬
nern zu meinem Geburtstage zugetragen und de¬
diciret."

"No. 30. Ein bemalter hölzerner Arm von einem
Weibsbild, einer Statua der Jungfrau Maria. Hat zu
päbstlicher Zeit hier bei uns in unserer Kirche viele
Wunder gethan und großen Zudrang des Volkes von
weither zu Wege gebracht. Auch eine große Curiosität
und wohl zu bewahren, doch mit Vorsicht vorzuweisen
des lieben Aberglaubens wegen, der heute noch wie
damals an jedwedes alte Weibermärlein glauben
muß." --

Nicht wahr, wenn man doch in dem Kataloge so
fortfahren wollte, zum Scherz der Herren Primaner
und bessern Gelehrten heutiger Zeit? Wir thun's aber
nicht. Um keinen Spaß in der Welt! Wir werfen
höchstens noch einen Blick auf den "Büchervorrath"
unseres lieben alten Freundes.

Natürlich die Classiker in abgegriffenen Schulaus¬
gaben, meistens aus den eigenen Schuljahren des Ma¬
gisters. Wenige neuere und neueste Schriften und auch
die meistens nur wie sie der Zufall in der Zelle des
Bruders Philemon zusammengeschichtet hat: Gundlings

„No. 23. Ein barbariſch Horn vom Urochſen, Bos
primigenius
; auch Wiſent genannt. Ehedem von den
Barden beim Gottesdienſt und in der Bataille zum
Tuten gebraucht. Dieſes hier vorhandene Exemplar ſoll
ſich im Kuhhirtenhauſe zu Lenne hinter dem Till vor¬
gefunden haben. NB. mir von denen Herren Prima¬
nern zu meinem Geburtstage zugetragen und de¬
diciret.“

„No. 30. Ein bemalter hölzerner Arm von einem
Weibsbild, einer Statua der Jungfrau Maria. Hat zu
päbſtlicher Zeit hier bei uns in unſerer Kirche viele
Wunder gethan und großen Zudrang des Volkes von
weither zu Wege gebracht. Auch eine große Curioſität
und wohl zu bewahren, doch mit Vorſicht vorzuweiſen
des lieben Aberglaubens wegen, der heute noch wie
damals an jedwedes alte Weibermärlein glauben
muß.“ —

Nicht wahr, wenn man doch in dem Kataloge ſo
fortfahren wollte, zum Scherz der Herren Primaner
und beſſern Gelehrten heutiger Zeit? Wir thun's aber
nicht. Um keinen Spaß in der Welt! Wir werfen
höchſtens noch einen Blick auf den „Büchervorrath“
unſeres lieben alten Freundes.

Natürlich die Claſſiker in abgegriffenen Schulaus¬
gaben, meiſtens aus den eigenen Schuljahren des Ma¬
giſters. Wenige neuere und neueſte Schriften und auch
die meiſtens nur wie ſie der Zufall in der Zelle des
Bruders Philemon zuſammengeſchichtet hat: Gundlings

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0061" n="53"/>
        <p>&#x201E;No. 23. Ein barbari&#x017F;ch Horn vom Uroch&#x017F;en, <hi rendition="#aq">Bos<lb/>
primigenius</hi>; auch Wi&#x017F;ent genannt. Ehedem von den<lb/>
Barden beim Gottesdien&#x017F;t und in der Bataille zum<lb/>
Tuten gebraucht. Die&#x017F;es hier vorhandene Exemplar &#x017F;oll<lb/>
&#x017F;ich im Kuhhirtenhau&#x017F;e zu Lenne hinter dem Till vor¬<lb/>
gefunden haben. <hi rendition="#aq">NB</hi>. mir von denen Herren Prima¬<lb/>
nern zu meinem Geburtstage zugetragen und de¬<lb/>
diciret.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;No. 30. Ein bemalter hölzerner Arm von einem<lb/>
Weibsbild, einer Statua der Jungfrau Maria. Hat zu<lb/>
päb&#x017F;tlicher Zeit hier bei uns in un&#x017F;erer Kirche viele<lb/>
Wunder gethan und großen Zudrang des Volkes von<lb/>
weither zu Wege gebracht. Auch eine große Curio&#x017F;ität<lb/>
und wohl zu bewahren, doch mit Vor&#x017F;icht vorzuwei&#x017F;en<lb/>
des lieben Aberglaubens wegen, der heute noch wie<lb/>
damals an jedwedes alte Weibermärlein glauben<lb/>
muß.&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Nicht wahr, wenn man doch in dem Kataloge &#x017F;o<lb/>
fortfahren wollte, zum Scherz der Herren Primaner<lb/>
und be&#x017F;&#x017F;ern Gelehrten heutiger Zeit? Wir thun's aber<lb/>
nicht. Um keinen Spaß in der Welt! Wir werfen<lb/>
höch&#x017F;tens noch einen Blick auf den &#x201E;Büchervorrath&#x201C;<lb/>
un&#x017F;eres lieben alten Freundes.</p><lb/>
        <p>Natürlich die Cla&#x017F;&#x017F;iker in abgegriffenen Schulaus¬<lb/>
gaben, mei&#x017F;tens aus den eigenen Schuljahren des Ma¬<lb/>
gi&#x017F;ters. Wenige neuere und neue&#x017F;te Schriften und auch<lb/>
die mei&#x017F;tens nur wie &#x017F;ie der Zufall in der Zelle des<lb/>
Bruders Philemon zu&#x017F;ammenge&#x017F;chichtet hat: Gundlings<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0061] „No. 23. Ein barbariſch Horn vom Urochſen, Bos primigenius; auch Wiſent genannt. Ehedem von den Barden beim Gottesdienſt und in der Bataille zum Tuten gebraucht. Dieſes hier vorhandene Exemplar ſoll ſich im Kuhhirtenhauſe zu Lenne hinter dem Till vor¬ gefunden haben. NB. mir von denen Herren Prima¬ nern zu meinem Geburtstage zugetragen und de¬ diciret.“ „No. 30. Ein bemalter hölzerner Arm von einem Weibsbild, einer Statua der Jungfrau Maria. Hat zu päbſtlicher Zeit hier bei uns in unſerer Kirche viele Wunder gethan und großen Zudrang des Volkes von weither zu Wege gebracht. Auch eine große Curioſität und wohl zu bewahren, doch mit Vorſicht vorzuweiſen des lieben Aberglaubens wegen, der heute noch wie damals an jedwedes alte Weibermärlein glauben muß.“ — Nicht wahr, wenn man doch in dem Kataloge ſo fortfahren wollte, zum Scherz der Herren Primaner und beſſern Gelehrten heutiger Zeit? Wir thun's aber nicht. Um keinen Spaß in der Welt! Wir werfen höchſtens noch einen Blick auf den „Büchervorrath“ unſeres lieben alten Freundes. Natürlich die Claſſiker in abgegriffenen Schulaus¬ gaben, meiſtens aus den eigenen Schuljahren des Ma¬ giſters. Wenige neuere und neueſte Schriften und auch die meiſtens nur wie ſie der Zufall in der Zelle des Bruders Philemon zuſammengeſchichtet hat: Gundlings

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/61
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/61>, abgerufen am 21.11.2024.