Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

Zuerst murmelte er jetzt, beide magere Kniee mit
den beiden Händen reibend:

"Ich hab's mir wohl gedacht! ich hab's mir wohl
gedacht. Es wird wie damals im dreißigjährigen Elend;
wir treiben uns Alle -- Einer den Andern in den
Krieg. Den Bauer vom Pflug, den Handwerksmann
aus der Werkstatt, den Studenten von dem Buch! Alle,
Alle! Den Herrn und den Knecht, den Meister und
den Jungen -- Alle, Alle. Und die Fremden hohn¬
lachen, ihre Rosse waten in unserm Blut und ihre
Räder gehen über unsere Knochen. Hört Er's krachen,
Schelze? sieht Er's roth und langsam fließen in den
Gräben, Schelze?"

"Ja, Herr," grollte der Knecht von Amelungsborn,
"wer von uns hat sie nicht liegen sehen? Habe ich sie
nicht selber mit unterroden müssen? Mit den Lade¬
stöcken auf dem Buckel haben sie uns an der Arbeit
gefördert. Aber grade drum, Herr! Weshalb soll nicht
Unsereiner auch mit dem flachen Pallasch den verfluch¬
ten Bauerlümmel beim Vorspann und an der Leichen¬
kuhle traktiren, wenn er's so gut haben kann? Dem
Klosteramtmann von Amelungsborn mit dem Kolben
in den Hintern, mit der Plempe über den Kopf und
die Faust -- wie er mir -- das soll mir jetzt das
rechte Fressen sein in der verhungerten, lustigen Zeit!
Ein ehrlicher Soldatentod in diesen Kriegestagen ist ein
besser Labsal als sich Tag für Tag zum Krüppel auf
dem Misthaufen schlagen lassen. Der Herr Magister

Raabe, Das Odfeld. 5

Zuerſt murmelte er jetzt, beide magere Kniee mit
den beiden Händen reibend:

„Ich hab's mir wohl gedacht! ich hab's mir wohl
gedacht. Es wird wie damals im dreißigjährigen Elend;
wir treiben uns Alle — Einer den Andern in den
Krieg. Den Bauer vom Pflug, den Handwerksmann
aus der Werkſtatt, den Studenten von dem Buch! Alle,
Alle! Den Herrn und den Knecht, den Meiſter und
den Jungen — Alle, Alle. Und die Fremden hohn¬
lachen, ihre Roſſe waten in unſerm Blut und ihre
Räder gehen über unſere Knochen. Hört Er's krachen,
Schelze? ſieht Er's roth und langſam fließen in den
Gräben, Schelze?“

„Ja, Herr,“ grollte der Knecht von Amelungsborn,
„wer von uns hat ſie nicht liegen ſehen? Habe ich ſie
nicht ſelber mit unterroden müſſen? Mit den Lade¬
ſtöcken auf dem Buckel haben ſie uns an der Arbeit
gefördert. Aber grade drum, Herr! Weshalb ſoll nicht
Unſereiner auch mit dem flachen Pallaſch den verfluch¬
ten Bauerlümmel beim Vorſpann und an der Leichen¬
kuhle traktiren, wenn er's ſo gut haben kann? Dem
Kloſteramtmann von Amelungsborn mit dem Kolben
in den Hintern, mit der Plempe über den Kopf und
die Fauſt — wie er mir — das ſoll mir jetzt das
rechte Freſſen ſein in der verhungerten, luſtigen Zeit!
Ein ehrlicher Soldatentod in dieſen Kriegestagen iſt ein
beſſer Labſal als ſich Tag für Tag zum Krüppel auf
dem Miſthaufen ſchlagen laſſen. Der Herr Magiſter

Raabe, Das Odfeld. 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0073" n="65"/>
        <p>Zuer&#x017F;t murmelte er jetzt, beide magere Kniee mit<lb/>
den beiden Händen reibend:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich hab's mir wohl gedacht! ich hab's mir wohl<lb/>
gedacht. Es wird wie damals im dreißigjährigen Elend;<lb/>
wir treiben uns Alle &#x2014; Einer den Andern in den<lb/>
Krieg. Den Bauer vom Pflug, den Handwerksmann<lb/>
aus der Werk&#x017F;tatt, den Studenten von dem Buch! Alle,<lb/>
Alle! Den Herrn und den Knecht, den Mei&#x017F;ter und<lb/>
den Jungen &#x2014; Alle, Alle. Und die Fremden hohn¬<lb/>
lachen, ihre Ro&#x017F;&#x017F;e waten in un&#x017F;erm Blut und ihre<lb/>
Räder gehen über un&#x017F;ere Knochen. Hört Er's krachen,<lb/>
Schelze? &#x017F;ieht Er's roth und lang&#x017F;am fließen in den<lb/>
Gräben, Schelze?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, Herr,&#x201C; grollte der Knecht von Amelungsborn,<lb/>
&#x201E;wer von uns hat &#x017F;ie nicht liegen &#x017F;ehen? Habe ich &#x017F;ie<lb/>
nicht &#x017F;elber mit unterroden mü&#x017F;&#x017F;en? Mit den Lade¬<lb/>
&#x017F;töcken auf dem Buckel haben &#x017F;ie uns an der Arbeit<lb/>
gefördert. Aber grade drum, Herr! Weshalb &#x017F;oll nicht<lb/>
Un&#x017F;ereiner auch mit dem flachen Palla&#x017F;ch den verfluch¬<lb/>
ten Bauerlümmel beim Vor&#x017F;pann und an der Leichen¬<lb/>
kuhle traktiren, wenn er's &#x017F;o gut haben kann? Dem<lb/>
Klo&#x017F;teramtmann von Amelungsborn mit dem Kolben<lb/>
in den Hintern, mit der Plempe über den Kopf und<lb/>
die Fau&#x017F;t &#x2014; wie er mir &#x2014; das &#x017F;oll mir jetzt das<lb/>
rechte Fre&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ein in der verhungerten, lu&#x017F;tigen Zeit!<lb/>
Ein ehrlicher Soldatentod in die&#x017F;en Kriegestagen i&#x017F;t ein<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er Lab&#x017F;al als &#x017F;ich Tag für Tag zum Krüppel auf<lb/>
dem Mi&#x017F;thaufen &#x017F;chlagen la&#x017F;&#x017F;en. Der Herr Magi&#x017F;ter<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Raabe</hi>, Das Odfeld. 5<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0073] Zuerſt murmelte er jetzt, beide magere Kniee mit den beiden Händen reibend: „Ich hab's mir wohl gedacht! ich hab's mir wohl gedacht. Es wird wie damals im dreißigjährigen Elend; wir treiben uns Alle — Einer den Andern in den Krieg. Den Bauer vom Pflug, den Handwerksmann aus der Werkſtatt, den Studenten von dem Buch! Alle, Alle! Den Herrn und den Knecht, den Meiſter und den Jungen — Alle, Alle. Und die Fremden hohn¬ lachen, ihre Roſſe waten in unſerm Blut und ihre Räder gehen über unſere Knochen. Hört Er's krachen, Schelze? ſieht Er's roth und langſam fließen in den Gräben, Schelze?“ „Ja, Herr,“ grollte der Knecht von Amelungsborn, „wer von uns hat ſie nicht liegen ſehen? Habe ich ſie nicht ſelber mit unterroden müſſen? Mit den Lade¬ ſtöcken auf dem Buckel haben ſie uns an der Arbeit gefördert. Aber grade drum, Herr! Weshalb ſoll nicht Unſereiner auch mit dem flachen Pallaſch den verfluch¬ ten Bauerlümmel beim Vorſpann und an der Leichen¬ kuhle traktiren, wenn er's ſo gut haben kann? Dem Kloſteramtmann von Amelungsborn mit dem Kolben in den Hintern, mit der Plempe über den Kopf und die Fauſt — wie er mir — das ſoll mir jetzt das rechte Freſſen ſein in der verhungerten, luſtigen Zeit! Ein ehrlicher Soldatentod in dieſen Kriegestagen iſt ein beſſer Labſal als ſich Tag für Tag zum Krüppel auf dem Miſthaufen ſchlagen laſſen. Der Herr Magiſter Raabe, Das Odfeld. 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/73
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/73>, abgerufen am 24.11.2024.