sich hatte, für die arme Magd am Wege auf seinem Wege zu seiner nächsten Schlacht- und Siegesstatt bei Crefeld vom Rocke gerissen hatte.
Magister Buchius blickte mit flimmernden Augen von dem Knopf auf das Mädchen und wieder von dem Mädchen auf den Knopf: das war doch eine Rarität, wie er sie noch nicht in seinem Museo aufbewahrte!
"Das ist wahrlich eine seltene und köstliche Reliquie, die Du seit dreien Jahren unter Deiner Schürze ver¬ borgen trägst, Mädchen," rief er. "Aber da solltest Du auch besser dem lieben Gott und dem guten Fürsten trauen. Auf den Herrgott solltest Du bauen, daß er Euch, dem lieben Herzog und Dir, heil aus den scheu߬ lichen Zeiten und Eurem Elend hilft, und nicht solltest Du den unsinnigen Menschen da in seiner Tollwuth bestärken. O Narre, Narre Schelze, Heinrich Schelze, so willst Du dies kostbare Zeichen, daß in der Welt das Licht nimmer ganz in Greuel, Blut und Nacht verlischt, mißbrauchen? So willst Du, weil Du von einem geschlagenen Mann geschlagen worden bist, das Fatum in Muthwillen herausfordern und die Verant¬ wortung dafür, was dieses gute Geschöpf durch der Könige Zwist und Zwietracht noch treffen mag, auf Dich allein nehmen? Schelze, Schelze, ein Dummrian war Er meistens; doch nun hat Er die Absicht ein Cujon dazu zu werden; und wenn es nicht anders sein kann, so habe Er seinen Willen und laufe Er meinetwegen dem Unglück in den Rachen, ohne Gottes
ſich hatte, für die arme Magd am Wege auf ſeinem Wege zu ſeiner nächſten Schlacht- und Siegesſtatt bei Crefeld vom Rocke geriſſen hatte.
Magiſter Buchius blickte mit flimmernden Augen von dem Knopf auf das Mädchen und wieder von dem Mädchen auf den Knopf: das war doch eine Rarität, wie er ſie noch nicht in ſeinem Muſeo aufbewahrte!
„Das iſt wahrlich eine ſeltene und köſtliche Reliquie, die Du ſeit dreien Jahren unter Deiner Schürze ver¬ borgen trägſt, Mädchen,“ rief er. „Aber da ſollteſt Du auch beſſer dem lieben Gott und dem guten Fürſten trauen. Auf den Herrgott ſollteſt Du bauen, daß er Euch, dem lieben Herzog und Dir, heil aus den ſcheu߬ lichen Zeiten und Eurem Elend hilft, und nicht ſollteſt Du den unſinnigen Menſchen da in ſeiner Tollwuth beſtärken. O Narre, Narre Schelze, Heinrich Schelze, ſo willſt Du dies koſtbare Zeichen, daß in der Welt das Licht nimmer ganz in Greuel, Blut und Nacht verliſcht, mißbrauchen? So willſt Du, weil Du von einem geſchlagenen Mann geſchlagen worden biſt, das Fatum in Muthwillen herausfordern und die Verant¬ wortung dafür, was dieſes gute Geſchöpf durch der Könige Zwiſt und Zwietracht noch treffen mag, auf Dich allein nehmen? Schelze, Schelze, ein Dummrian war Er meiſtens; doch nun hat Er die Abſicht ein Cujon dazu zu werden; und wenn es nicht anders ſein kann, ſo habe Er ſeinen Willen und laufe Er meinetwegen dem Unglück in den Rachen, ohne Gottes
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ſich hatte, für die arme Magd am Wege auf ſeinem
Wege zu ſeiner nächſten Schlacht- und Siegesſtatt bei
Crefeld vom Rocke geriſſen hatte.
Magiſter Buchius blickte mit flimmernden Augen
von dem Knopf auf das Mädchen und wieder von dem
Mädchen auf den Knopf: das war doch eine Rarität,
wie er ſie noch nicht in ſeinem Muſeo aufbewahrte!
„Das iſt wahrlich eine ſeltene und köſtliche Reliquie,
die Du ſeit dreien Jahren unter Deiner Schürze ver¬
borgen trägſt, Mädchen,“ rief er. „Aber da ſollteſt
Du auch beſſer dem lieben Gott und dem guten Fürſten
trauen. Auf den Herrgott ſollteſt Du bauen, daß er
Euch, dem lieben Herzog und Dir, heil aus den ſcheu߬
lichen Zeiten und Eurem Elend hilft, und nicht ſollteſt
Du den unſinnigen Menſchen da in ſeiner Tollwuth
beſtärken. O Narre, Narre Schelze, Heinrich Schelze,
ſo willſt Du dies koſtbare Zeichen, daß in der Welt
das Licht nimmer ganz in Greuel, Blut und Nacht
verliſcht, mißbrauchen? So willſt Du, weil Du von
einem geſchlagenen Mann geſchlagen worden biſt, das
Fatum in Muthwillen herausfordern und die Verant¬
wortung dafür, was dieſes gute Geſchöpf durch der
Könige Zwiſt und Zwietracht noch treffen mag, auf
Dich allein nehmen? Schelze, Schelze, ein Dummrian
war Er meiſtens; doch nun hat Er die Abſicht ein
Cujon dazu zu werden; und wenn es nicht anders
ſein kann, ſo habe Er ſeinen Willen und laufe Er
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/78>, abgerufen am 24.11.2024.
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