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Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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berge die Unterschlagung fast zur nämlichen Stunde erfahren.

Es entstand schier ein Aufruhr gegen den Rath daraus, dem armen Bäcker wurde das halbe Haus demolirt; er mußte sein Amt als "Getraidtmeister" niederlegen, erholte sich niemals von diesem Schlag, fiel in die Schwindsucht und starb. Seines Weibes Name aber blieb für immer ein Gaudium in den Mäulern der Gevatterinnen von Rothenburg im Thal.

II.

Wenn der Scharfrichter auf seiner Bank vor der Thür seine Pfeife rauchte und gradaus in das Thal und in die Stadt hinunterblickte, so war der hervorragendste Punkt, der ihm ins Auge fiel, die Silberburg mit ihrem verblichenen Farbenschmuck, alterschwarzen Balkenwerk, ihren erblindeten, grünangelaufenen Fenstern, ihren geneigten Giebeln. Hinter diesem Hause lief ein über alle Maßen verwilderter Garten die Römerhöhe entlang bis zu dem Wartthurm, auf welchem dem alten, strumpfstrickenden Kindler der Lugaus auf Feuer und Franzosen anvertraut war. Neben der Silberburg widmete der Scharfrichter diesem Wartthurm seine ganze Aufmerksamkeit, und weßhalb er dies that, wird später genug klar werden.

Der Garten des reichen Mannes in der Silberburg

berge die Unterschlagung fast zur nämlichen Stunde erfahren.

Es entstand schier ein Aufruhr gegen den Rath daraus, dem armen Bäcker wurde das halbe Haus demolirt; er mußte sein Amt als “Getraidtmeister“ niederlegen, erholte sich niemals von diesem Schlag, fiel in die Schwindsucht und starb. Seines Weibes Name aber blieb für immer ein Gaudium in den Mäulern der Gevatterinnen von Rothenburg im Thal.

II.

Wenn der Scharfrichter auf seiner Bank vor der Thür seine Pfeife rauchte und gradaus in das Thal und in die Stadt hinunterblickte, so war der hervorragendste Punkt, der ihm ins Auge fiel, die Silberburg mit ihrem verblichenen Farbenschmuck, alterschwarzen Balkenwerk, ihren erblindeten, grünangelaufenen Fenstern, ihren geneigten Giebeln. Hinter diesem Hause lief ein über alle Maßen verwilderter Garten die Römerhöhe entlang bis zu dem Wartthurm, auf welchem dem alten, strumpfstrickenden Kindler der Lugaus auf Feuer und Franzosen anvertraut war. Neben der Silberburg widmete der Scharfrichter diesem Wartthurm seine ganze Aufmerksamkeit, und weßhalb er dies that, wird später genug klar werden.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-23T09:56:25Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-23T09:56:25Z)

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_recht_1910/18>, abgerufen am 28.04.2024.