Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Bettstatt für den Alten und jetzt auch noch ein Strohsack sammt einem österreichischen Soldatenmantel für den schwarzen Jürg. Eine Flinte hing an der Wand, eine Pike lehnte in der Ecke. Ein Wachtmantel von gelbem Tuch mit grünem Kragen -- grün und gelb waren die Farben der Stadt -- hing am Nagel, ein Bauer mit einem bunten, klugen Zeisig von der Decke. Auf einem Brette nahe dem Ofen befanden sich einige zerfetzte Bände des Theatrum europaeum, eine Kosmographie, eine Chronik der Stadt, eine Bilderbibel, eine Postille und ein Kalender. Haushaltsgeräth jeder Art war überall auf Brettern ziemlich ordentlich aufgestellt; auf einem schweren Eichentisch stand eine Lampe und lag das Strickzeug des Stadtwächters. Einige dreibeinige Schemel vollendeten die Ausstattung, und in einem Lederstuhl neben der Fensteröffnung, von welcher aus man in die Ebene blickte, saß Friedrich Kindler, zahnlos, mit weißem Haar, einer Brille auf den blöden Augen, seine ökonomische Prudenz im Schooß. Bekleidet war der Greis mit einem gelben, grünbekragten, rothgefütterten Rock, schwarzen Kniehosen, Gamaschen und schweren Schuhen; somit glich er dem lustigen Zeisig im Bauer so sehr, als es einem alten bankerotte Herrn und Reichsstädter, der in seiner Jugend auch ein lustiger Zeisig gewesen war, im hohen Alter möglich war. Ueber die Kunst, hauszuhalten und ein wohlhabender Mann zu werden, hielt er dem Sohn soeben eine sehr theoretische Vorlesung, welcher der schwarze Georg denn auch Bettstatt für den Alten und jetzt auch noch ein Strohsack sammt einem österreichischen Soldatenmantel für den schwarzen Jürg. Eine Flinte hing an der Wand, eine Pike lehnte in der Ecke. Ein Wachtmantel von gelbem Tuch mit grünem Kragen — grün und gelb waren die Farben der Stadt — hing am Nagel, ein Bauer mit einem bunten, klugen Zeisig von der Decke. Auf einem Brette nahe dem Ofen befanden sich einige zerfetzte Bände des Theatrum europaeum, eine Kosmographie, eine Chronik der Stadt, eine Bilderbibel, eine Postille und ein Kalender. Haushaltsgeräth jeder Art war überall auf Brettern ziemlich ordentlich aufgestellt; auf einem schweren Eichentisch stand eine Lampe und lag das Strickzeug des Stadtwächters. Einige dreibeinige Schemel vollendeten die Ausstattung, und in einem Lederstuhl neben der Fensteröffnung, von welcher aus man in die Ebene blickte, saß Friedrich Kindler, zahnlos, mit weißem Haar, einer Brille auf den blöden Augen, seine ökonomische Prudenz im Schooß. Bekleidet war der Greis mit einem gelben, grünbekragten, rothgefütterten Rock, schwarzen Kniehosen, Gamaschen und schweren Schuhen; somit glich er dem lustigen Zeisig im Bauer so sehr, als es einem alten bankerotte Herrn und Reichsstädter, der in seiner Jugend auch ein lustiger Zeisig gewesen war, im hohen Alter möglich war. Ueber die Kunst, hauszuhalten und ein wohlhabender Mann zu werden, hielt er dem Sohn soeben eine sehr theoretische Vorlesung, welcher der schwarze Georg denn auch <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0026"/> Bettstatt für den Alten und jetzt auch noch ein Strohsack sammt einem österreichischen Soldatenmantel für den schwarzen Jürg. Eine Flinte hing an der Wand, eine Pike lehnte in der Ecke. Ein Wachtmantel von gelbem Tuch mit grünem Kragen — grün und gelb waren die Farben der Stadt — hing am Nagel, ein Bauer mit einem bunten, klugen Zeisig von der Decke. Auf einem Brette nahe dem Ofen befanden sich einige zerfetzte Bände des Theatrum europaeum, eine Kosmographie, eine Chronik der Stadt, eine Bilderbibel, eine Postille und ein Kalender. Haushaltsgeräth jeder Art war überall auf Brettern ziemlich ordentlich aufgestellt; auf einem schweren Eichentisch stand eine Lampe und lag das Strickzeug des Stadtwächters. Einige dreibeinige Schemel vollendeten die Ausstattung, und in einem Lederstuhl neben der Fensteröffnung, von welcher aus man in die Ebene blickte, saß Friedrich Kindler, zahnlos, mit weißem Haar, einer Brille auf den blöden Augen, seine ökonomische Prudenz im Schooß. Bekleidet war der Greis mit einem gelben, grünbekragten, rothgefütterten Rock, schwarzen Kniehosen, Gamaschen und schweren Schuhen; somit glich er dem lustigen Zeisig im Bauer so sehr, als es einem alten bankerotte Herrn und Reichsstädter, der in seiner Jugend auch ein lustiger Zeisig gewesen war, im hohen Alter möglich war.</p><lb/> <p>Ueber die Kunst, hauszuhalten und ein wohlhabender Mann zu werden, hielt er dem Sohn soeben eine sehr theoretische Vorlesung, welcher der schwarze Georg denn auch<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
Bettstatt für den Alten und jetzt auch noch ein Strohsack sammt einem österreichischen Soldatenmantel für den schwarzen Jürg. Eine Flinte hing an der Wand, eine Pike lehnte in der Ecke. Ein Wachtmantel von gelbem Tuch mit grünem Kragen — grün und gelb waren die Farben der Stadt — hing am Nagel, ein Bauer mit einem bunten, klugen Zeisig von der Decke. Auf einem Brette nahe dem Ofen befanden sich einige zerfetzte Bände des Theatrum europaeum, eine Kosmographie, eine Chronik der Stadt, eine Bilderbibel, eine Postille und ein Kalender. Haushaltsgeräth jeder Art war überall auf Brettern ziemlich ordentlich aufgestellt; auf einem schweren Eichentisch stand eine Lampe und lag das Strickzeug des Stadtwächters. Einige dreibeinige Schemel vollendeten die Ausstattung, und in einem Lederstuhl neben der Fensteröffnung, von welcher aus man in die Ebene blickte, saß Friedrich Kindler, zahnlos, mit weißem Haar, einer Brille auf den blöden Augen, seine ökonomische Prudenz im Schooß. Bekleidet war der Greis mit einem gelben, grünbekragten, rothgefütterten Rock, schwarzen Kniehosen, Gamaschen und schweren Schuhen; somit glich er dem lustigen Zeisig im Bauer so sehr, als es einem alten bankerotte Herrn und Reichsstädter, der in seiner Jugend auch ein lustiger Zeisig gewesen war, im hohen Alter möglich war.
Ueber die Kunst, hauszuhalten und ein wohlhabender Mann zu werden, hielt er dem Sohn soeben eine sehr theoretische Vorlesung, welcher der schwarze Georg denn auch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-23T09:56:25Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-23T09:56:25Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |