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Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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besten Preis, durch dessen gute Verwendung das Innere des alten Thurmes auf der Römerhöhe ein behaglicheres Ansehen bekam. An diesem Freischießen durfte der einstige Profoß des Regiments Deutschmeister als Ehrloser natürlich nicht theilnehmen; dafür aber durfte er einem Diebe das rechte Ohr abschneiden, ein Pasquill auf den Herrn Bürgermeister und dessen lebenslustige Gemahlin unter dem Galgen verbrennen und eine Hexe im Gnadenwege mit dem Schwert vom Leben zum Tode bringen.

Immer tiefer las sich Friedrich Kindler auf dem Lug ins Land in die Prudentia oeconomica, die Kunst, ein reicher Mann zu werden, hinein, doch blieben die guten Lehren des Allongeperrückenträgers auf dem Titelblatt stets von derselben verwirrenden Wirkung auf den alten Mann, und das war eigentlich nur für ein Glück zu halten.

Dagegen schien die Gemüthsstimmung des unglücklichen Mannes in dem verfallenden Hause unter der Römerhöhe immer hoffnungsloser zu werden. Laurentia hatte dem Geliebten darüber immer schrecklichere Einzelheiten mitzutheilen; aber immerfort wehrte sie sich hartnäckig gegen den Rath des Freundes, die Hülfe der städtischen Beamten anzurufen.

Gegen Anfang des Octobers begegnete Georg wieder einmal dem Scharfrichter, und mit der gewohnten spöttischen Miene sagte der Letztere:

Monsieur, Unsereins ist ein halber Doctor; soll ich Euerm Schätzchen einen Trank eingeben gegen die bleichen Wänglein?

besten Preis, durch dessen gute Verwendung das Innere des alten Thurmes auf der Römerhöhe ein behaglicheres Ansehen bekam. An diesem Freischießen durfte der einstige Profoß des Regiments Deutschmeister als Ehrloser natürlich nicht theilnehmen; dafür aber durfte er einem Diebe das rechte Ohr abschneiden, ein Pasquill auf den Herrn Bürgermeister und dessen lebenslustige Gemahlin unter dem Galgen verbrennen und eine Hexe im Gnadenwege mit dem Schwert vom Leben zum Tode bringen.

Immer tiefer las sich Friedrich Kindler auf dem Lug ins Land in die Prudentia oeconomica, die Kunst, ein reicher Mann zu werden, hinein, doch blieben die guten Lehren des Allongeperrückenträgers auf dem Titelblatt stets von derselben verwirrenden Wirkung auf den alten Mann, und das war eigentlich nur für ein Glück zu halten.

Dagegen schien die Gemüthsstimmung des unglücklichen Mannes in dem verfallenden Hause unter der Römerhöhe immer hoffnungsloser zu werden. Laurentia hatte dem Geliebten darüber immer schrecklichere Einzelheiten mitzutheilen; aber immerfort wehrte sie sich hartnäckig gegen den Rath des Freundes, die Hülfe der städtischen Beamten anzurufen.

Gegen Anfang des Octobers begegnete Georg wieder einmal dem Scharfrichter, und mit der gewohnten spöttischen Miene sagte der Letztere:

Monsieur, Unsereins ist ein halber Doctor; soll ich Euerm Schätzchen einen Trank eingeben gegen die bleichen Wänglein?

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[0044] besten Preis, durch dessen gute Verwendung das Innere des alten Thurmes auf der Römerhöhe ein behaglicheres Ansehen bekam. An diesem Freischießen durfte der einstige Profoß des Regiments Deutschmeister als Ehrloser natürlich nicht theilnehmen; dafür aber durfte er einem Diebe das rechte Ohr abschneiden, ein Pasquill auf den Herrn Bürgermeister und dessen lebenslustige Gemahlin unter dem Galgen verbrennen und eine Hexe im Gnadenwege mit dem Schwert vom Leben zum Tode bringen. Immer tiefer las sich Friedrich Kindler auf dem Lug ins Land in die Prudentia oeconomica, die Kunst, ein reicher Mann zu werden, hinein, doch blieben die guten Lehren des Allongeperrückenträgers auf dem Titelblatt stets von derselben verwirrenden Wirkung auf den alten Mann, und das war eigentlich nur für ein Glück zu halten. Dagegen schien die Gemüthsstimmung des unglücklichen Mannes in dem verfallenden Hause unter der Römerhöhe immer hoffnungsloser zu werden. Laurentia hatte dem Geliebten darüber immer schrecklichere Einzelheiten mitzutheilen; aber immerfort wehrte sie sich hartnäckig gegen den Rath des Freundes, die Hülfe der städtischen Beamten anzurufen. Gegen Anfang des Octobers begegnete Georg wieder einmal dem Scharfrichter, und mit der gewohnten spöttischen Miene sagte der Letztere: Monsieur, Unsereins ist ein halber Doctor; soll ich Euerm Schätzchen einen Trank eingeben gegen die bleichen Wänglein?

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-23T09:56:25Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-23T09:56:25Z)

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Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_recht_1910/44>, abgerufen am 28.04.2024.