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Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Tage aus, die noch verstreichen mußten bis zu diesem Datum, und summte leise vor sich hin:

"Malb'rough zieht in den Krieg, Miroton, Miroton, Mirotaine; Malb'rough zieht in den Krieg, Weiß nicht, wann heim er kehrt."
VI.

Auf den Herbst folgte der Winter, und dann kam ein anderer Frühling, der des Jahres 1705. In diesem neuen Frühling sollte sich das Geschick der Leute, welche wir im Laufe dieser Erzählung kennen gelernt haben, erfüllen.

Sehr streng und hartnäckig war der Winter gewesen, aber in einer einzigen Nacht wurde er durch einen gewaltigen Sturm vom Thron geworfen, wie das so manchem andern überstrengen und gewaltigen Herrscher begegnet ist. Für die Welt brachte jedoch diese Thronentsetzung eine Nacht der Furcht und des Schreckens. Was anfangs ein sanftes Wehen war, gleich dem Athem eines Kindes, das wurde zum donnernden Heulen; die stärksten Bäume mußten sich der Windsbraut neigen, und wie sie durch die Berge und Wälder in die Ebene hinausfuhr, verstreute sie eine wahre Saat zersplitterter Aeste über das Land. Unzählige Fensterscheiben wurden zerschmettert, von den Dächern die Ziegeln gerissen. Mit

Tage aus, die noch verstreichen mußten bis zu diesem Datum, und summte leise vor sich hin:

“Malb'rough zieht in den Krieg, Miroton, Miroton, Mirotaine; Malb'rough zieht in den Krieg, Weiß nicht, wann heim er kehrt.“
VI.

Auf den Herbst folgte der Winter, und dann kam ein anderer Frühling, der des Jahres 1705. In diesem neuen Frühling sollte sich das Geschick der Leute, welche wir im Laufe dieser Erzählung kennen gelernt haben, erfüllen.

Sehr streng und hartnäckig war der Winter gewesen, aber in einer einzigen Nacht wurde er durch einen gewaltigen Sturm vom Thron geworfen, wie das so manchem andern überstrengen und gewaltigen Herrscher begegnet ist. Für die Welt brachte jedoch diese Thronentsetzung eine Nacht der Furcht und des Schreckens. Was anfangs ein sanftes Wehen war, gleich dem Athem eines Kindes, das wurde zum donnernden Heulen; die stärksten Bäume mußten sich der Windsbraut neigen, und wie sie durch die Berge und Wälder in die Ebene hinausfuhr, verstreute sie eine wahre Saat zersplitterter Aeste über das Land. Unzählige Fensterscheiben wurden zerschmettert, von den Dächern die Ziegeln gerissen. Mit

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[0050] Tage aus, die noch verstreichen mußten bis zu diesem Datum, und summte leise vor sich hin: “Malb'rough zieht in den Krieg, Miroton, Miroton, Mirotaine; Malb'rough zieht in den Krieg, Weiß nicht, wann heim er kehrt.“ VI. Auf den Herbst folgte der Winter, und dann kam ein anderer Frühling, der des Jahres 1705. In diesem neuen Frühling sollte sich das Geschick der Leute, welche wir im Laufe dieser Erzählung kennen gelernt haben, erfüllen. Sehr streng und hartnäckig war der Winter gewesen, aber in einer einzigen Nacht wurde er durch einen gewaltigen Sturm vom Thron geworfen, wie das so manchem andern überstrengen und gewaltigen Herrscher begegnet ist. Für die Welt brachte jedoch diese Thronentsetzung eine Nacht der Furcht und des Schreckens. Was anfangs ein sanftes Wehen war, gleich dem Athem eines Kindes, das wurde zum donnernden Heulen; die stärksten Bäume mußten sich der Windsbraut neigen, und wie sie durch die Berge und Wälder in die Ebene hinausfuhr, verstreute sie eine wahre Saat zersplitterter Aeste über das Land. Unzählige Fensterscheiben wurden zerschmettert, von den Dächern die Ziegeln gerissen. Mit

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-23T09:56:25Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-23T09:56:25Z)

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Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_recht_1910/50>, abgerufen am 27.04.2024.