Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.aus dem Wege räumen können, versperren uns den Pfad zu dem wahren Namen desselben. So mußten wir uns bescheiden, nur leise den Schauplatz, auf welchem unsere Tragödie spielt, anzudeuten, ehe wir dramatis personae, die Figuren unserer Geschichte, einführen und agiren lassen. Klein ist unser Schauplatz im Vergleich zu dem des großen Trauerspieles, welches zur selbigen Zeit die Weltgeschichte aufführte. Der spanische Erbfolgekrieg ist im vollen Gange; zu Frankreich stehen Bayern und Köln; aber das Reich hält zu Oesterreich, und am dreißigsten November Siebenzehnhundertzwei ist auch zu Rothenburg im Thal unter Trommelschlag der Krieg gegen Ludwig den Vierzehnten bekannt gemacht worden. Nun ritt vor acht Tagen ein Bote in die Stadt, dem Rath den Sieg des Prinzen Eugenius und des Herzogs von Marlborough bei Höchstedt und Blenheim zu notificiren. Unabsehbare Züge unglücklicher, verwundeter, halbverhungerter gefangener Franzosen wurden durch die Stadt geschleppt, und die gutmüthigen, barmherzigen Seelen, die deutschen Reichsstädter und Reichsstädterinnen, hatten tausendfach Gelegenheit, ihre mitleidigen Herzen zu zeigen. Durch die Stadt wurde auch der Marschall Tallard in einer wohlverwahrten, von Dragonern und Musquetieren umringten Kutsche geführt, und Bürgermeister und Rath mochten mit Recht frohlocken, daß sie nicht zu Bayern und Köln sich geschlagen hatten. Wenn man die kleine Stadt so im Sonnenschein des Augusts 1704 in ihrem Thal am Ausgange der aus dem Wege räumen können, versperren uns den Pfad zu dem wahren Namen desselben. So mußten wir uns bescheiden, nur leise den Schauplatz, auf welchem unsere Tragödie spielt, anzudeuten, ehe wir dramatis personae, die Figuren unserer Geschichte, einführen und agiren lassen. Klein ist unser Schauplatz im Vergleich zu dem des großen Trauerspieles, welches zur selbigen Zeit die Weltgeschichte aufführte. Der spanische Erbfolgekrieg ist im vollen Gange; zu Frankreich stehen Bayern und Köln; aber das Reich hält zu Oesterreich, und am dreißigsten November Siebenzehnhundertzwei ist auch zu Rothenburg im Thal unter Trommelschlag der Krieg gegen Ludwig den Vierzehnten bekannt gemacht worden. Nun ritt vor acht Tagen ein Bote in die Stadt, dem Rath den Sieg des Prinzen Eugenius und des Herzogs von Marlborough bei Höchstedt und Blenheim zu notificiren. Unabsehbare Züge unglücklicher, verwundeter, halbverhungerter gefangener Franzosen wurden durch die Stadt geschleppt, und die gutmüthigen, barmherzigen Seelen, die deutschen Reichsstädter und Reichsstädterinnen, hatten tausendfach Gelegenheit, ihre mitleidigen Herzen zu zeigen. Durch die Stadt wurde auch der Marschall Tallard in einer wohlverwahrten, von Dragonern und Musquetieren umringten Kutsche geführt, und Bürgermeister und Rath mochten mit Recht frohlocken, daß sie nicht zu Bayern und Köln sich geschlagen hatten. Wenn man die kleine Stadt so im Sonnenschein des Augusts 1704 in ihrem Thal am Ausgange der <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0008"/> aus dem Wege räumen können, versperren uns den Pfad zu dem wahren Namen desselben. So mußten wir uns bescheiden, nur leise den Schauplatz, auf welchem unsere Tragödie spielt, anzudeuten, ehe wir dramatis personae, die Figuren unserer Geschichte, einführen und agiren lassen.</p><lb/> <p>Klein ist unser Schauplatz im Vergleich zu dem des großen Trauerspieles, welches zur selbigen Zeit die Weltgeschichte aufführte. Der spanische Erbfolgekrieg ist im vollen Gange; zu Frankreich stehen Bayern und Köln; aber das Reich hält zu Oesterreich, und am dreißigsten November Siebenzehnhundertzwei ist auch zu Rothenburg im Thal unter Trommelschlag der Krieg gegen Ludwig den Vierzehnten bekannt gemacht worden.</p><lb/> <p>Nun ritt vor acht Tagen ein Bote in die Stadt, dem Rath den Sieg des Prinzen Eugenius und des Herzogs von Marlborough bei Höchstedt und Blenheim zu notificiren. Unabsehbare Züge unglücklicher, verwundeter, halbverhungerter gefangener Franzosen wurden durch die Stadt geschleppt, und die gutmüthigen, barmherzigen Seelen, die deutschen Reichsstädter und Reichsstädterinnen, hatten tausendfach Gelegenheit, ihre mitleidigen Herzen zu zeigen. Durch die Stadt wurde auch der Marschall Tallard in einer wohlverwahrten, von Dragonern und Musquetieren umringten Kutsche geführt, und Bürgermeister und Rath mochten mit Recht frohlocken, daß sie nicht zu Bayern und Köln sich geschlagen hatten.</p><lb/> <p>Wenn man die kleine Stadt so im Sonnenschein des Augusts 1704 in ihrem Thal am Ausgange der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0008]
aus dem Wege räumen können, versperren uns den Pfad zu dem wahren Namen desselben. So mußten wir uns bescheiden, nur leise den Schauplatz, auf welchem unsere Tragödie spielt, anzudeuten, ehe wir dramatis personae, die Figuren unserer Geschichte, einführen und agiren lassen.
Klein ist unser Schauplatz im Vergleich zu dem des großen Trauerspieles, welches zur selbigen Zeit die Weltgeschichte aufführte. Der spanische Erbfolgekrieg ist im vollen Gange; zu Frankreich stehen Bayern und Köln; aber das Reich hält zu Oesterreich, und am dreißigsten November Siebenzehnhundertzwei ist auch zu Rothenburg im Thal unter Trommelschlag der Krieg gegen Ludwig den Vierzehnten bekannt gemacht worden.
Nun ritt vor acht Tagen ein Bote in die Stadt, dem Rath den Sieg des Prinzen Eugenius und des Herzogs von Marlborough bei Höchstedt und Blenheim zu notificiren. Unabsehbare Züge unglücklicher, verwundeter, halbverhungerter gefangener Franzosen wurden durch die Stadt geschleppt, und die gutmüthigen, barmherzigen Seelen, die deutschen Reichsstädter und Reichsstädterinnen, hatten tausendfach Gelegenheit, ihre mitleidigen Herzen zu zeigen. Durch die Stadt wurde auch der Marschall Tallard in einer wohlverwahrten, von Dragonern und Musquetieren umringten Kutsche geführt, und Bürgermeister und Rath mochten mit Recht frohlocken, daß sie nicht zu Bayern und Köln sich geschlagen hatten.
Wenn man die kleine Stadt so im Sonnenschein des Augusts 1704 in ihrem Thal am Ausgange der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-23T09:56:25Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-23T09:56:25Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |