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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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ihr kleines lächelndes Kind in die Morgensonne und dem
neuen Vaterland entgegenhält! --

Das Gras fängt an feucht zu werden, ich muß
meine kleine Schläferin aufwecken. Die bleiche Frau
erhebt sich ebenfalls; sie kommt auf uns zu. Wir ken-
nen uns nicht; aber hier auf dem Kirchhof scheut sie
sich nicht, sich über mich und das schlummernde Kind zu
beugen.

"Lassen Sie mich die Kleine küssen!" sagt sie. -- --
-- -- -- -- --

Ich sehe sie unter den Bäumen verschwinden, ein
Tuch vor den Augen.

Elise erwacht: "O wie schön!" ruft sie, in die Glut
des Abends schauend. --

"Gute Nacht Franz! Gute Nacht Maria!" -- --

Holla! Was ist in der Sperlingsgasse los? Als
wir nach Haus kommen, herrscht ein Tumult darin, wie
ich ihn noch nie darin erlebt habe. In allen Hausthüren
schwatzende Gruppen, jede Arbeit eingestellt: Salat-
waschen, Schuhflicken, Strümpfestopfen, Hämmern, Sä-
gen, Federkritzeln, Alles in's Stocken gerathen, nur nicht
-- die Zungen!

"O je, o je Herr Wachholder, sehen Sie mal da
oben!" schreit Martha, die auf der Treppe unserer Haus-

ihr kleines lächelndes Kind in die Morgenſonne und dem
neuen Vaterland entgegenhält! —

Das Gras fängt an feucht zu werden, ich muß
meine kleine Schläferin aufwecken. Die bleiche Frau
erhebt ſich ebenfalls; ſie kommt auf uns zu. Wir ken-
nen uns nicht; aber hier auf dem Kirchhof ſcheut ſie
ſich nicht, ſich über mich und das ſchlummernde Kind zu
beugen.

„Laſſen Sie mich die Kleine küſſen!“ ſagt ſie. — —
— — — — —

Ich ſehe ſie unter den Bäumen verſchwinden, ein
Tuch vor den Augen.

Eliſe erwacht: „O wie ſchön!“ ruft ſie, in die Glut
des Abends ſchauend. —

„Gute Nacht Franz! Gute Nacht Maria!“ — —

Holla! Was iſt in der Sperlingsgaſſe los? Als
wir nach Haus kommen, herrſcht ein Tumult darin, wie
ich ihn noch nie darin erlebt habe. In allen Hausthüren
ſchwatzende Gruppen, jede Arbeit eingeſtellt: Salat-
waſchen, Schuhflicken, Strümpfeſtopfen, Hämmern, Sä-
gen, Federkritzeln, Alles in’s Stocken gerathen, nur nicht
— die Zungen!

„O je, o je Herr Wachholder, ſehen Sie mal da
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[101/0111] ihr kleines lächelndes Kind in die Morgenſonne und dem neuen Vaterland entgegenhält! — Das Gras fängt an feucht zu werden, ich muß meine kleine Schläferin aufwecken. Die bleiche Frau erhebt ſich ebenfalls; ſie kommt auf uns zu. Wir ken- nen uns nicht; aber hier auf dem Kirchhof ſcheut ſie ſich nicht, ſich über mich und das ſchlummernde Kind zu beugen. „Laſſen Sie mich die Kleine küſſen!“ ſagt ſie. — — — — — — — Ich ſehe ſie unter den Bäumen verſchwinden, ein Tuch vor den Augen. Eliſe erwacht: „O wie ſchön!“ ruft ſie, in die Glut des Abends ſchauend. — „Gute Nacht Franz! Gute Nacht Maria!“ — — Holla! Was iſt in der Sperlingsgaſſe los? Als wir nach Haus kommen, herrſcht ein Tumult darin, wie ich ihn noch nie darin erlebt habe. In allen Hausthüren ſchwatzende Gruppen, jede Arbeit eingeſtellt: Salat- waſchen, Schuhflicken, Strümpfeſtopfen, Hämmern, Sä- gen, Federkritzeln, Alles in’s Stocken gerathen, nur nicht — die Zungen! „O je, o je Herr Wachholder, ſehen Sie mal da oben!“ ſchreit Martha, die auf der Treppe unſerer Haus-

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/111>, abgerufen am 21.11.2024.