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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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Brusttasche schlagend, schreit er: "Und hier hab' ich den
Verhaftsbefehl: Beleidigung eines Beamten im Dienst,
und -- ausgekniffen!"

Ich wage es nicht, den aufgebrachten Leuen durch
Lachen noch mehr zu reizen, verschwinde und platze erst
auf der Treppe los, die beiden Würdigen einander ge-
genüber sitzen lassend.

In der Gasse steckt mir Marquart ein Billet zu und
flüstert geheimnißvoll, nach dem Fenster des Doctors
deutend:

"Das hat er zurückgelassen für Sie Herr Wachhol-
der!"

Der Zettel lautet:
Liebster Freund!

"Eine hohe Polizei weiß, was "Deppe" heißt,
"obgleich es nicht im Conversationslexikon steht. Ein
"Freund hat mich gewarnt; -- ich verschwinde! --
"In den böhmischen Wäldern sehen wir uns wieder! --

Dr. Wimmer."

P. Scr. Der Redactionspudel begleitet mich! --

"Onkel, was soll denn das Alles bedeuten, wo ist
denn der Onkel Doctor?" fragt die kleine Lise, welche,
obgleich schon im Nachtzeug, nicht vom Fenster wegge-
kommen ist.

Ich schreibe: pour prendre conge auf einen Zettel

Bruſttaſche ſchlagend, ſchreit er: „Und hier hab’ ich den
Verhaftsbefehl: Beleidigung eines Beamten im Dienſt,
und — ausgekniffen!“

Ich wage es nicht, den aufgebrachten Leuen durch
Lachen noch mehr zu reizen, verſchwinde und platze erſt
auf der Treppe los, die beiden Würdigen einander ge-
genüber ſitzen laſſend.

In der Gaſſe ſteckt mir Marquart ein Billet zu und
flüſtert geheimnißvoll, nach dem Fenſter des Doctors
deutend:

„Das hat er zurückgelaſſen für Sie Herr Wachhol-
der!“

Der Zettel lautet:
Liebſter Freund!

„Eine hohe Polizei weiß, was „Deppe“ heißt,
„obgleich es nicht im Converſationslexikon ſteht. Ein
„Freund hat mich gewarnt; — ich verſchwinde! —
„In den böhmiſchen Wäldern ſehen wir uns wieder! —

Dr. Wimmer.“

P. Scr. Der Redactionspudel begleitet mich! —

„Onkel, was ſoll denn das Alles bedeuten, wo iſt
denn der Onkel Doctor?“ fragt die kleine Liſe, welche,
obgleich ſchon im Nachtzeug, nicht vom Fenſter wegge-
kommen iſt.

Ich ſchreibe: pour prendre congé auf einen Zettel

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[104/0114] Bruſttaſche ſchlagend, ſchreit er: „Und hier hab’ ich den Verhaftsbefehl: Beleidigung eines Beamten im Dienſt, und — ausgekniffen!“ Ich wage es nicht, den aufgebrachten Leuen durch Lachen noch mehr zu reizen, verſchwinde und platze erſt auf der Treppe los, die beiden Würdigen einander ge- genüber ſitzen laſſend. In der Gaſſe ſteckt mir Marquart ein Billet zu und flüſtert geheimnißvoll, nach dem Fenſter des Doctors deutend: „Das hat er zurückgelaſſen für Sie Herr Wachhol- der!“ Der Zettel lautet: Liebſter Freund! „Eine hohe Polizei weiß, was „Deppe“ heißt, „obgleich es nicht im Converſationslexikon ſteht. Ein „Freund hat mich gewarnt; — ich verſchwinde! — „In den böhmiſchen Wäldern ſehen wir uns wieder! — Dr. Wimmer.“ P. Scr. Der Redactionspudel begleitet mich! — „Onkel, was ſoll denn das Alles bedeuten, wo iſt denn der Onkel Doctor?“ fragt die kleine Liſe, welche, obgleich ſchon im Nachtzeug, nicht vom Fenſter wegge- kommen iſt. Ich ſchreibe: pour prendre congé auf einen Zettel

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/114>, abgerufen am 21.11.2024.