Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

mal nicht sträubt, sondern selbst ihm einen herzhaften
Kuß giebt.

"Wirst Du auch wohl zuweilen an den Pudel und
mich denken, Lischen?"

"Ganz gewiß," schluchzt Lischen, "und ich will
schreiben und der Pudel -- nein, Du mußt's auch thun!"
Der Doctor setzt die Kleine vorsichtig wieder auf ihren
Stuhl: "Adieu Wachholder," sagt er, "Adieu Roder,
alter Freund!"

Der Pudel schaut ganz verblüfft von seinem ernsten
Herrn auf uns und wieder zurück: es muß etwas nicht
ganz in der Ordnung sein!

"Lebt Alle wohl! Ein fröhliches Wiedersehen! Alle!
"En avant Rezensent!" schreit der Doctor, über die
Gartenhecke und den Chausseegraben springend und rennt
ohne sich umzusehen dem Walde zu. Am Rande bleibt
er noch einmal stehen und schwenkt den Hut.

"Smollis!" ruft der Lehrer, ihm mit einem Glase
zuwinkend. -- "Grüß die Münchener Cousine, die
hübsche Nannerl!" --

"Fiducit!" ruft der Doctor zurück und verschwindet
hinter den Büschen. Rezensent steht noch am Rande,
schaut nach uns herüber und stößt ein kurzes Gebell aus!

Jetzt ist auch er verschwunden! -- -- --

Wir sitzen noch eine Weile still allein.

9*

mal nicht ſträubt, ſondern ſelbſt ihm einen herzhaften
Kuß giebt.

„Wirſt Du auch wohl zuweilen an den Pudel und
mich denken, Lischen?“

„Ganz gewiß,“ ſchluchzt Lischen, „und ich will
ſchreiben und der Pudel — nein, Du mußt’s auch thun!“
Der Doctor ſetzt die Kleine vorſichtig wieder auf ihren
Stuhl: „Adieu Wachholder,“ ſagt er, „Adieu Roder,
alter Freund!“

Der Pudel ſchaut ganz verblüfft von ſeinem ernſten
Herrn auf uns und wieder zurück: es muß etwas nicht
ganz in der Ordnung ſein!

„Lebt Alle wohl! Ein fröhliches Wiederſehen! Alle!
En avant Rezenſent!“ ſchreit der Doctor, über die
Gartenhecke und den Chauſſeegraben ſpringend und rennt
ohne ſich umzuſehen dem Walde zu. Am Rande bleibt
er noch einmal ſtehen und ſchwenkt den Hut.

„Smollis!“ ruft der Lehrer, ihm mit einem Glaſe
zuwinkend. — „Grüß die Münchener Couſine, die
hübſche Nannerl!“ —

„Fiducit!“ ruft der Doctor zurück und verſchwindet
hinter den Büſchen. Rezenſent ſteht noch am Rande,
ſchaut nach uns herüber und ſtößt ein kurzes Gebell aus!

Jetzt iſt auch er verſchwunden! — — —

Wir ſitzen noch eine Weile ſtill allein.

9*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0141" n="131"/>
mal nicht &#x017F;träubt, &#x017F;ondern &#x017F;elb&#x017F;t ihm einen herzhaften<lb/>
Kuß giebt.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wir&#x017F;t Du auch wohl zuweilen an den Pudel und<lb/>
mich denken, Lischen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ganz gewiß,&#x201C; &#x017F;chluchzt Lischen, &#x201E;und ich will<lb/>
&#x017F;chreiben und der Pudel &#x2014; nein, Du mußt&#x2019;s auch thun!&#x201C;<lb/>
Der Doctor &#x017F;etzt die Kleine vor&#x017F;ichtig wieder auf ihren<lb/>
Stuhl: &#x201E;Adieu Wachholder,&#x201C; &#x017F;agt er, &#x201E;Adieu Roder,<lb/>
alter Freund!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Pudel &#x017F;chaut ganz verblüfft von &#x017F;einem ern&#x017F;ten<lb/>
Herrn auf uns und wieder zurück: es muß etwas nicht<lb/>
ganz in der Ordnung &#x017F;ein!</p><lb/>
        <p>&#x201E;Lebt Alle wohl! Ein fröhliches Wieder&#x017F;ehen! Alle!<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#aq">En avant</hi> Rezen&#x017F;ent!&#x201C; &#x017F;chreit der Doctor, über die<lb/>
Gartenhecke und den Chau&#x017F;&#x017F;eegraben &#x017F;pringend und rennt<lb/>
ohne &#x017F;ich umzu&#x017F;ehen dem Walde zu. Am Rande bleibt<lb/>
er noch einmal &#x017F;tehen und &#x017F;chwenkt den Hut.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">&#x201E;Smollis!&#x201C;</hi> ruft der Lehrer, ihm mit einem Gla&#x017F;e<lb/>
zuwinkend. &#x2014; &#x201E;Grüß die Münchener Cou&#x017F;ine, die<lb/>
hüb&#x017F;che Nannerl!&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">&#x201E;Fiducit!&#x201C;</hi> ruft der Doctor zurück und ver&#x017F;chwindet<lb/>
hinter den Bü&#x017F;chen. Rezen&#x017F;ent &#x017F;teht noch am Rande,<lb/>
&#x017F;chaut nach uns herüber und &#x017F;tößt ein kurzes Gebell aus!</p><lb/>
        <p>Jetzt i&#x017F;t auch er ver&#x017F;chwunden! &#x2014; &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Wir &#x017F;itzen noch eine Weile &#x017F;till allein.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">9*</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0141] mal nicht ſträubt, ſondern ſelbſt ihm einen herzhaften Kuß giebt. „Wirſt Du auch wohl zuweilen an den Pudel und mich denken, Lischen?“ „Ganz gewiß,“ ſchluchzt Lischen, „und ich will ſchreiben und der Pudel — nein, Du mußt’s auch thun!“ Der Doctor ſetzt die Kleine vorſichtig wieder auf ihren Stuhl: „Adieu Wachholder,“ ſagt er, „Adieu Roder, alter Freund!“ Der Pudel ſchaut ganz verblüfft von ſeinem ernſten Herrn auf uns und wieder zurück: es muß etwas nicht ganz in der Ordnung ſein! „Lebt Alle wohl! Ein fröhliches Wiederſehen! Alle! „En avant Rezenſent!“ ſchreit der Doctor, über die Gartenhecke und den Chauſſeegraben ſpringend und rennt ohne ſich umzuſehen dem Walde zu. Am Rande bleibt er noch einmal ſtehen und ſchwenkt den Hut. „Smollis!“ ruft der Lehrer, ihm mit einem Glaſe zuwinkend. — „Grüß die Münchener Couſine, die hübſche Nannerl!“ — „Fiducit!“ ruft der Doctor zurück und verſchwindet hinter den Büſchen. Rezenſent ſteht noch am Rande, ſchaut nach uns herüber und ſtößt ein kurzes Gebell aus! Jetzt iſt auch er verſchwunden! — — — Wir ſitzen noch eine Weile ſtill allein. 9*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/141
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/141>, abgerufen am 21.11.2024.