Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.weißen Streif durch die Stämme schimmern sehen. Horch, Immer tiefer sinkt die Sonne herab! Doctor, Doctor, Und der Doctor zieht den Rock wieder an und hängt "Also mußt Du wirklich weg, Onkel Wimmer?" fragt "Ja ja, liebes Kind!" sagt der wunderliche Mensch weißen Streif durch die Stämme ſchimmern ſehen. Horch, Immer tiefer ſinkt die Sonne herab! Doctor, Doctor, Und der Doctor zieht den Rock wieder an und hängt „Alſo mußt Du wirklich weg, Onkel Wimmer?“ fragt „Ja ja, liebes Kind!“ ſagt der wunderliche Menſch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0140" n="130"/> weißen Streif durch die Stämme ſchimmern ſehen. Horch,<lb/> Geigen- und Hornmuſik! Im weißen Roß mitten im<lb/> Wald an der Chauſſee iſt Tanz. Die Hausthür iſt mit<lb/> Laubgewinden geſchmückt; Stadtvolk und Landvolk drängt<lb/> ſich allenthalben davor und dadrinnen, im Haus und<lb/> im Garten. — Wir erobern noch eine ſchattige Laube<lb/> und der Doctor geräth in ſein Element. Jetzt iſt er<lb/> oben im Saal, ſchwenkt ſich luſtig herum mit einer<lb/> friſchen Landdirne oder einer kleinen bleichen Nähterin<lb/> aus der Stadt; jetzt erregt er unter den Kegelnden ein<lb/> ſchallendes Gelächter durch einen wohlangebrachten Witz;<lb/> jetzt ſitzt er wieder bei uns, den Rock ausgezogen, glühend,<lb/> puſtend, fächelnd. Und überall, wo der Doctor iſt, iſt<lb/> auch der Pudel. Jetzt oben im Saal wie toll zwiſchen<lb/> die Tanzenden fahrend; jetzt, ausgewieſen, wie ſein Herr<lb/> aus der Stadt, ſteckt er ſeine feuchte Schnauze unter<lb/> unſerm Tiſche hervor.</p><lb/> <p>Immer tiefer ſinkt die Sonne herab! Doctor, Doctor,<lb/> wir müſſen ſcheiden! —</p><lb/> <p>Und der Doctor zieht den Rock wieder an und hängt<lb/> die Reiſetaſche um. Wir Alle ſtehen auf.</p><lb/> <p>„Alſo mußt Du wirklich weg, Onkel Wimmer?“ fragt<lb/> Eliſe weinerlich.</p><lb/> <p>„Ja ja, liebes Kind!“ ſagt der wunderliche Menſch<lb/> plötzlich ernſt. Er hebt die Kleine empor, die ſich dies-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [130/0140]
weißen Streif durch die Stämme ſchimmern ſehen. Horch,
Geigen- und Hornmuſik! Im weißen Roß mitten im
Wald an der Chauſſee iſt Tanz. Die Hausthür iſt mit
Laubgewinden geſchmückt; Stadtvolk und Landvolk drängt
ſich allenthalben davor und dadrinnen, im Haus und
im Garten. — Wir erobern noch eine ſchattige Laube
und der Doctor geräth in ſein Element. Jetzt iſt er
oben im Saal, ſchwenkt ſich luſtig herum mit einer
friſchen Landdirne oder einer kleinen bleichen Nähterin
aus der Stadt; jetzt erregt er unter den Kegelnden ein
ſchallendes Gelächter durch einen wohlangebrachten Witz;
jetzt ſitzt er wieder bei uns, den Rock ausgezogen, glühend,
puſtend, fächelnd. Und überall, wo der Doctor iſt, iſt
auch der Pudel. Jetzt oben im Saal wie toll zwiſchen
die Tanzenden fahrend; jetzt, ausgewieſen, wie ſein Herr
aus der Stadt, ſteckt er ſeine feuchte Schnauze unter
unſerm Tiſche hervor.
Immer tiefer ſinkt die Sonne herab! Doctor, Doctor,
wir müſſen ſcheiden! —
Und der Doctor zieht den Rock wieder an und hängt
die Reiſetaſche um. Wir Alle ſtehen auf.
„Alſo mußt Du wirklich weg, Onkel Wimmer?“ fragt
Eliſe weinerlich.
„Ja ja, liebes Kind!“ ſagt der wunderliche Menſch
plötzlich ernſt. Er hebt die Kleine empor, die ſich dies-
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