Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.im Hause hat zu allen Tageszeiten so viele Kinder um Heute freilich treffe ich die kleine Lise nicht auf der im Hauſe hat zu allen Tageszeiten ſo viele Kinder um Heute freilich treffe ich die kleine Liſe nicht auf der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0146" n="136"/> im Hauſe hat zu allen Tageszeiten ſo viele Kinder um<lb/> ſich, die den Geſchichten lauſchen, dem ſchnurrenden Rade<lb/> zuſehen und Abends mit der zunehmenden Dämmerung<lb/> immer dichter an den großen Lehnſtuhl ſich drängen?<lb/> Wie oft habe ich einſt da die kleine Eliſe mit Re-<lb/> zenſent an ihrer Seite gefunden, andächtig lauſchend,<lb/> und wie oft, wenn ich mit der beſten Abſicht kam, ſie<lb/> heraufzuholen zu Bett, bin ich ſelbſt ſitzen geblieben,<lb/> den Schluß einer Hiſtorie abwartend, bis endlich auch<lb/> noch Martha herabkam, und es uns faſt ging wie dem<lb/> Herrn, welcher den Jochen ausſchickte, den Pudel zu<lb/> holen.</p><lb/> <p>Heute freilich treffe ich die kleine Liſe nicht auf der<lb/> Fußbank am Lehnſtuhl ſitzend, auch die alte Martha<lb/> kommt nicht mehr herunter uns Beide abzuholen; aber<lb/> einen Anderen treffe ich häufig genug ſeit Mitte des<lb/> vorigen Herbſtes, und dieſer Andere iſt kein Geringerer,<lb/> als unſer Freund und Nachbar, der Karikaturenzeichner<lb/> Strobel. In der Werkſtatt bei Meiſter und Geſellen,<lb/> in der Küche bei der Hausmutter, überall iſt der Zeich-<lb/> ner ein willkommener Gaſt. Die Geſellen zeichnet er ab<lb/> für ihre reſpectiven Schätze, mit dem Meiſter politiſirt<lb/> er, der Meiſterin lehrt er neue Gerichte fabriciren —<lb/> er hat unter ſeiner Bibliothek ein dickes Kochbuch —<lb/> und der Großmutter — hört er zu.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [136/0146]
im Hauſe hat zu allen Tageszeiten ſo viele Kinder um
ſich, die den Geſchichten lauſchen, dem ſchnurrenden Rade
zuſehen und Abends mit der zunehmenden Dämmerung
immer dichter an den großen Lehnſtuhl ſich drängen?
Wie oft habe ich einſt da die kleine Eliſe mit Re-
zenſent an ihrer Seite gefunden, andächtig lauſchend,
und wie oft, wenn ich mit der beſten Abſicht kam, ſie
heraufzuholen zu Bett, bin ich ſelbſt ſitzen geblieben,
den Schluß einer Hiſtorie abwartend, bis endlich auch
noch Martha herabkam, und es uns faſt ging wie dem
Herrn, welcher den Jochen ausſchickte, den Pudel zu
holen.
Heute freilich treffe ich die kleine Liſe nicht auf der
Fußbank am Lehnſtuhl ſitzend, auch die alte Martha
kommt nicht mehr herunter uns Beide abzuholen; aber
einen Anderen treffe ich häufig genug ſeit Mitte des
vorigen Herbſtes, und dieſer Andere iſt kein Geringerer,
als unſer Freund und Nachbar, der Karikaturenzeichner
Strobel. In der Werkſtatt bei Meiſter und Geſellen,
in der Küche bei der Hausmutter, überall iſt der Zeich-
ner ein willkommener Gaſt. Die Geſellen zeichnet er ab
für ihre reſpectiven Schätze, mit dem Meiſter politiſirt
er, der Meiſterin lehrt er neue Gerichte fabriciren —
er hat unter ſeiner Bibliothek ein dickes Kochbuch —
und der Großmutter — hört er zu.
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