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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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So traf ich ihn heute Abend, als ich herunter kam,
einen geborgten Leimtopf wieder abzuliefern. Da es
Feierabend war, so war die ganze Familie in der Stube
versammelt, der Zeichner hatte alle seine Gesprächs-
elemente beieinander und plätscherte mit Wonne darin
herum.

".... Also Meister," sagte er, als ich eintrat, wer,
meinen Sie, kriegt dabei die Prügel?"

"Der Russe nicht!" antwortet nach einer kleinen
Pause bedächtig der Meister, der mit der Brille auf
der Nase die Zeitung hinter das Licht hielt, um besser
zu sehen.

"Also die Alliirten?"

Der Meister nimmt eine Prise und da seine Erinne-
rungen nur bis zu den Befreiungskriegen gehen, schaut
er verwundert auf, es scheint ihm auch das unwahr-
scheinlich. -- Plötzlich aber besinnt er sich:

"Donnerwetter, da sind ja auch die Franzosen bei!"
ruft er. -- "Himmel! das hat sich ja auf einmal ganz
umgedreht!" --

"Richtig Meister," sagt der Zeichner, dem Tischler-
meister auf die Schulter klopfend. "Richtig! Alles in
der Welt dreht sich von Zeit zu Zeit um."

"Meisterin, die Kartoffeln brennen an!" unterbricht
Anton, der Lehrjunge, die Politik.

So traf ich ihn heute Abend, als ich herunter kam,
einen geborgten Leimtopf wieder abzuliefern. Da es
Feierabend war, ſo war die ganze Familie in der Stube
verſammelt, der Zeichner hatte alle ſeine Geſprächs-
elemente beieinander und plätſcherte mit Wonne darin
herum.

„.... Alſo Meiſter,“ ſagte er, als ich eintrat, wer,
meinen Sie, kriegt dabei die Prügel?“

„Der Ruſſe nicht!“ antwortet nach einer kleinen
Pauſe bedächtig der Meiſter, der mit der Brille auf
der Naſe die Zeitung hinter das Licht hielt, um beſſer
zu ſehen.

„Alſo die Alliirten?“

Der Meiſter nimmt eine Priſe und da ſeine Erinne-
rungen nur bis zu den Befreiungskriegen gehen, ſchaut
er verwundert auf, es ſcheint ihm auch das unwahr-
ſcheinlich. — Plötzlich aber beſinnt er ſich:

„Donnerwetter, da ſind ja auch die Franzoſen bei!“
ruft er. — „Himmel! das hat ſich ja auf einmal ganz
umgedreht!“ —

„Richtig Meiſter,“ ſagt der Zeichner, dem Tiſchler-
meiſter auf die Schulter klopfend. „Richtig! Alles in
der Welt dreht ſich von Zeit zu Zeit um.“

„Meiſterin, die Kartoffeln brennen an!“ unterbricht
Anton, der Lehrjunge, die Politik.

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[137/0147] So traf ich ihn heute Abend, als ich herunter kam, einen geborgten Leimtopf wieder abzuliefern. Da es Feierabend war, ſo war die ganze Familie in der Stube verſammelt, der Zeichner hatte alle ſeine Geſprächs- elemente beieinander und plätſcherte mit Wonne darin herum. „.... Alſo Meiſter,“ ſagte er, als ich eintrat, wer, meinen Sie, kriegt dabei die Prügel?“ „Der Ruſſe nicht!“ antwortet nach einer kleinen Pauſe bedächtig der Meiſter, der mit der Brille auf der Naſe die Zeitung hinter das Licht hielt, um beſſer zu ſehen. „Alſo die Alliirten?“ Der Meiſter nimmt eine Priſe und da ſeine Erinne- rungen nur bis zu den Befreiungskriegen gehen, ſchaut er verwundert auf, es ſcheint ihm auch das unwahr- ſcheinlich. — Plötzlich aber beſinnt er ſich: „Donnerwetter, da ſind ja auch die Franzoſen bei!“ ruft er. — „Himmel! das hat ſich ja auf einmal ganz umgedreht!“ — „Richtig Meiſter,“ ſagt der Zeichner, dem Tiſchler- meiſter auf die Schulter klopfend. „Richtig! Alles in der Welt dreht ſich von Zeit zu Zeit um.“ „Meiſterin, die Kartoffeln brennen an!“ unterbricht Anton, der Lehrjunge, die Politik.

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/147>, abgerufen am 24.11.2024.