Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.Winters verkündet hatte, zurückgekehrt, ohne eine Spur Ich bin ein einsamer alter Mann geworden! Die Schaue ich auf aus meinen Träumen, so sehe ich Winters verkündet hatte, zurückgekehrt, ohne eine Spur Ich bin ein einſamer alter Mann geworden! Die Schaue ich auf aus meinen Träumen, ſo ſehe ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0016" n="6"/> Winters verkündet hatte, zurückgekehrt, ohne eine Spur<lb/> zu hinterlaſſen. — — —</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Ich bin ein einſamer alter Mann geworden! Die<lb/> bunten, ewig wechſelnden, ewig neuen Bilder dieſes gro-<lb/> ßen Bilderbuches, <hi rendition="#g">Welt</hi> genannt, werden meinen alten<lb/> Augen dunkler und dunkler; mehr und mehr verſchwim-<lb/> men ſie, mehr und mehr fließen ſie in einander. Ich bin<lb/> mit meinem Leben da angelangt, wo, wie in jenem<lb/> Uebergang vom Wachen zum Schlaf, die Erlebniſſe des<lb/> Tages ſich noch dumpf im Gehirn des Müden kreuzen,<lb/> wo aber bereits die dunkle, traum- und geiſtervolle Nacht<lb/> über Alles, Gutes und Böſes, ihren Schleier breitet.<lb/> Ich bin alt und müde; es iſt die Zeit, wo die Erinne-<lb/> rung an die Stelle der Hoffnung tritt.</p><lb/> <p>Schaue ich auf aus meinen Träumen, ſo ſehe ich<lb/> zwar daſſelbe Lächeln, daſſelbe Schmerzenszucken auf den<lb/> Menſchengeſichtern um mich her, wie vor langen blühen-<lb/> deren Jahren, aber wenn auch Freude und Leid dieſel-<lb/> ben geblieben ſind auf der alten Mutter Erde: — die<lb/> Geſichter ſelbſt ſind mir fremd, — ich bin allein! —<lb/> Allein, — und doch nicht allein. Aus der dämmrigen<lb/> Nacht des Vergeſſens taucht es auf und klingt es; Ge-<lb/> ſtalten, Töne, Stimmen, die ich kannte, die ich vernahm,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [6/0016]
Winters verkündet hatte, zurückgekehrt, ohne eine Spur
zu hinterlaſſen. — — —
Ich bin ein einſamer alter Mann geworden! Die
bunten, ewig wechſelnden, ewig neuen Bilder dieſes gro-
ßen Bilderbuches, Welt genannt, werden meinen alten
Augen dunkler und dunkler; mehr und mehr verſchwim-
men ſie, mehr und mehr fließen ſie in einander. Ich bin
mit meinem Leben da angelangt, wo, wie in jenem
Uebergang vom Wachen zum Schlaf, die Erlebniſſe des
Tages ſich noch dumpf im Gehirn des Müden kreuzen,
wo aber bereits die dunkle, traum- und geiſtervolle Nacht
über Alles, Gutes und Böſes, ihren Schleier breitet.
Ich bin alt und müde; es iſt die Zeit, wo die Erinne-
rung an die Stelle der Hoffnung tritt.
Schaue ich auf aus meinen Träumen, ſo ſehe ich
zwar daſſelbe Lächeln, daſſelbe Schmerzenszucken auf den
Menſchengeſichtern um mich her, wie vor langen blühen-
deren Jahren, aber wenn auch Freude und Leid dieſel-
ben geblieben ſind auf der alten Mutter Erde: — die
Geſichter ſelbſt ſind mir fremd, — ich bin allein! —
Allein, — und doch nicht allein. Aus der dämmrigen
Nacht des Vergeſſens taucht es auf und klingt es; Ge-
ſtalten, Töne, Stimmen, die ich kannte, die ich vernahm,
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