Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.entfliehen, die Nebel sinken und es wird wieder fröh- Elise! Die Knospe, die hundert duftige Blumenblätter in Ich glaube an keine Offenbarung, als an die, welche entfliehen, die Nebel ſinken und es wird wieder fröh- Eliſe! Die Knospe, die hundert duftige Blumenblätter in Ich glaube an keine Offenbarung, als an die, welche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0201" n="191"/> entfliehen, die Nebel ſinken und es wird wieder fröh-<lb/> licher Tag in mir! —</p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Eliſe!</hi> </p><lb/> <p>Die Knospe, die hundert duftige Blumenblätter in<lb/> ihrer grünen Hülle einſchloß, entfaltet ſich wie ein ſüßes,<lb/> liebliches Geheimniß. — Noch ein warmer Kuß der<lb/> Sonne und die Centifolie, den reinen Thautropfen der<lb/> Jugend und der Unſchuld im Buſen, iſt die ſchönſte der<lb/> Erdenblüthen.</p><lb/> <p>Ich glaube an keine Offenbarung, als an die, welche<lb/> wir im Auge des geliebten Weſens leſen; ſie allein iſt<lb/> wahr, ſie allein iſt untrüglich; in dem Auge der Liebe<lb/> allein ſchauen wir Gott „von Angeſicht zu Angeſicht.“<lb/> — Die Zunge iſt ſchwach und des Menſchen Sprache<lb/> unvollkommen; die Schrift iſt noch ſchwächer und un-<lb/> vollkommener und ein Blatt Papier zum Urquell der<lb/> Erkenntniß des ewigen Geiſtes machen zu wollen, iſt<lb/> ein arm thöricht Beginnen. Ich drücke die Augen zu<lb/> und — <hi rendition="#g">ſie</hi> iſt vor mir mit ihrem ſüßen Lächeln, <hi rendition="#g">ſie</hi><lb/> ſchlägt ſie auf, dieſe großen blauen Augen, in denen<lb/> ich Troſt ſuche und finde. Eliſe, Eliſe, nun biſt Du ein<lb/> großes, ſchönes Mädchen geworden und das Bild dort,<lb/> welches Dein todter Vater von Deiner todten Mutter malte,<lb/> gleicht einem Spiegel, wenn Du ſo ſinnend davor ſtehſt<lb/> und ſo ſüßtraurig lächelnd zu ihm empor ſchauſt. Die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [191/0201]
entfliehen, die Nebel ſinken und es wird wieder fröh-
licher Tag in mir! —
Eliſe!
Die Knospe, die hundert duftige Blumenblätter in
ihrer grünen Hülle einſchloß, entfaltet ſich wie ein ſüßes,
liebliches Geheimniß. — Noch ein warmer Kuß der
Sonne und die Centifolie, den reinen Thautropfen der
Jugend und der Unſchuld im Buſen, iſt die ſchönſte der
Erdenblüthen.
Ich glaube an keine Offenbarung, als an die, welche
wir im Auge des geliebten Weſens leſen; ſie allein iſt
wahr, ſie allein iſt untrüglich; in dem Auge der Liebe
allein ſchauen wir Gott „von Angeſicht zu Angeſicht.“
— Die Zunge iſt ſchwach und des Menſchen Sprache
unvollkommen; die Schrift iſt noch ſchwächer und un-
vollkommener und ein Blatt Papier zum Urquell der
Erkenntniß des ewigen Geiſtes machen zu wollen, iſt
ein arm thöricht Beginnen. Ich drücke die Augen zu
und — ſie iſt vor mir mit ihrem ſüßen Lächeln, ſie
ſchlägt ſie auf, dieſe großen blauen Augen, in denen
ich Troſt ſuche und finde. Eliſe, Eliſe, nun biſt Du ein
großes, ſchönes Mädchen geworden und das Bild dort,
welches Dein todter Vater von Deiner todten Mutter malte,
gleicht einem Spiegel, wenn Du ſo ſinnend davor ſtehſt
und ſo ſüßtraurig lächelnd zu ihm empor ſchauſt. Die
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