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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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Dr. Nipeguck!? -- Wirklich, er ist's; mit Frau und Kin-
dern steuert er durch die Menge. "Weg die Dogmatik!"
lautet das Studentenlied; warum sollte der alte Hallen-
ser das an einem solchen prächtigen Abend nicht auch
noch einmal in -- das Doppelkinn summen dürfen?
Wie die Universität vertreten ist! Professoren, Pri-
vatdocenten und Studenten von allen Facultäten und
Verbindungen! Dacht' ich mir's doch, da sind auch die
"unmoralischen Menschen," die Freiwilligen! Natürlich
durften sie nicht fehlen! --

"Guten Abend, Cäcilie, Anna! Guten Abend Elise,
Johanne, Clärchen, Josephine! Das ist ja prächtig,
daß ihr auch da seid!" -- schwirrt und summt das
durcheinander!

"Gott, wo bleibt mein Tänzer! Der abscheuliche
Mensch wird mich doch nicht "sitzen" lassen?!"

"Auf keinen Fall, mein Fräulein!" sagt der Auscul-
tator Krippenstapel, sein ambrosisches Haupt über die
Schulter der erschrockenen Sprecherin streckend und etwas
von "nur Personal-Arrest" murmelnd.

"Lischen, keinen Korb -- bitte!" ruft Gustav, ein
Paar wundersame Handschuh anziehend und eine Rosen-
knospe in's Knopfloch steckend.

"Nun, Vetter, -- wenn's denn nicht anders sein
kann -- so komm' schnell, die Musik fängt schon an."

Dr. Nipeguck!? — Wirklich, er iſt’s; mit Frau und Kin-
dern ſteuert er durch die Menge. „Weg die Dogmatik!“
lautet das Studentenlied; warum ſollte der alte Hallen-
ſer das an einem ſolchen prächtigen Abend nicht auch
noch einmal in — das Doppelkinn ſummen dürfen?
Wie die Univerſität vertreten iſt! Profeſſoren, Pri-
vatdocenten und Studenten von allen Facultäten und
Verbindungen! Dacht’ ich mir’s doch, da ſind auch die
„unmoraliſchen Menſchen,“ die Freiwilligen! Natürlich
durften ſie nicht fehlen! —

„Guten Abend, Cäcilie, Anna! Guten Abend Eliſe,
Johanne, Clärchen, Joſephine! Das iſt ja prächtig,
daß ihr auch da ſeid!“ — ſchwirrt und ſummt das
durcheinander!

„Gott, wo bleibt mein Tänzer! Der abſcheuliche
Menſch wird mich doch nicht „ſitzen“ laſſen?!“

„Auf keinen Fall, mein Fräulein!“ ſagt der Auscul-
tator Krippenſtapel, ſein ambroſiſches Haupt über die
Schulter der erſchrockenen Sprecherin ſtreckend und etwas
von „nur Perſonal-Arreſt“ murmelnd.

„Lischen, keinen Korb — bitte!“ ruft Guſtav, ein
Paar wunderſame Handſchuh anziehend und eine Roſen-
knospe in’s Knopfloch ſteckend.

„Nun, Vetter, — wenn’s denn nicht anders ſein
kann — ſo komm’ ſchnell, die Muſik fängt ſchon an.“

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[202/0212] Dr. Nipeguck!? — Wirklich, er iſt’s; mit Frau und Kin- dern ſteuert er durch die Menge. „Weg die Dogmatik!“ lautet das Studentenlied; warum ſollte der alte Hallen- ſer das an einem ſolchen prächtigen Abend nicht auch noch einmal in — das Doppelkinn ſummen dürfen? Wie die Univerſität vertreten iſt! Profeſſoren, Pri- vatdocenten und Studenten von allen Facultäten und Verbindungen! Dacht’ ich mir’s doch, da ſind auch die „unmoraliſchen Menſchen,“ die Freiwilligen! Natürlich durften ſie nicht fehlen! — „Guten Abend, Cäcilie, Anna! Guten Abend Eliſe, Johanne, Clärchen, Joſephine! Das iſt ja prächtig, daß ihr auch da ſeid!“ — ſchwirrt und ſummt das durcheinander! „Gott, wo bleibt mein Tänzer! Der abſcheuliche Menſch wird mich doch nicht „ſitzen“ laſſen?!“ „Auf keinen Fall, mein Fräulein!“ ſagt der Auscul- tator Krippenſtapel, ſein ambroſiſches Haupt über die Schulter der erſchrockenen Sprecherin ſtreckend und etwas von „nur Perſonal-Arreſt“ murmelnd. „Lischen, keinen Korb — bitte!“ ruft Guſtav, ein Paar wunderſame Handſchuh anziehend und eine Roſen- knospe in’s Knopfloch ſteckend. „Nun, Vetter, — wenn’s denn nicht anders ſein kann — ſo komm’ ſchnell, die Muſik fängt ſchon an.“

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/212>, abgerufen am 24.11.2024.