Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.um die Schultern legte; als Helene weinend der jungen Wir sprachen an jenem Tage nicht viel! Das Glück um die Schultern legte; als Helene weinend der jungen Wir ſprachen an jenem Tage nicht viel! Das Glück <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0268" n="258"/> um die Schultern legte; als Helene weinend der jungen<lb/> Braut den Kranz in die Locken drückte, da war es mir,<lb/> als ſei nun ein lange dunkles Räthſel gelöſt und ich<lb/> ſenkte das Haupt vor der geheimnißvollen Macht, welche<lb/> die Geſchicke lenkt und ein Auge hat für das Kind in<lb/> der Wiege und die Nation im Todeskampf. Wie die<lb/> Fäden laufen mußten, um hier in der armen Gaſſe ſich<lb/> zuſammen zu ſchürzen zu einem neuen Bande! Wie ſo<lb/> viele Herzen faſt brechen wollten, um ein neues Glück<lb/> aufſprießen zu laſſen! Das iſt die große, ewige Melodie,<lb/> welche der Weltgeiſt greift auf der Harfe des Lebens,<lb/> und welche die Mutter im Lächeln ihres Kindes, der<lb/> Denker in den Blättern der Natur und Geſchichte<lb/> wahrnimmt! —</p><lb/> <p>Wir ſprachen an jenem Tage nicht viel! Das Glück<lb/> iſt ſtumm und was die Liebe — die wahre Offenbarung<lb/> Gottes — ſich zuflüſtert, hat noch kein Dichter auf<lb/> Papyrus, Pergament oder Papier feſtgehalten. Die<lb/> kleine Kirche war gar feierlich heilig, als der junge<lb/> Maler — er dachte in dem Augenblick gewiß nicht an<lb/> ſein gefeiertes Bild: Milton, den Galilei im Gefängniß<lb/> zu Rom beſuchend —, als der junge Maler ſeine ſchöne<lb/> Braut hineinführte an den geſchmückten, lichterglänzen-<lb/> den Altar. Und Niemand fehlte in dem Kreiſe theilneh-<lb/> mender Geſichter umher! Da war das Atelier, da waren<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [258/0268]
um die Schultern legte; als Helene weinend der jungen
Braut den Kranz in die Locken drückte, da war es mir,
als ſei nun ein lange dunkles Räthſel gelöſt und ich
ſenkte das Haupt vor der geheimnißvollen Macht, welche
die Geſchicke lenkt und ein Auge hat für das Kind in
der Wiege und die Nation im Todeskampf. Wie die
Fäden laufen mußten, um hier in der armen Gaſſe ſich
zuſammen zu ſchürzen zu einem neuen Bande! Wie ſo
viele Herzen faſt brechen wollten, um ein neues Glück
aufſprießen zu laſſen! Das iſt die große, ewige Melodie,
welche der Weltgeiſt greift auf der Harfe des Lebens,
und welche die Mutter im Lächeln ihres Kindes, der
Denker in den Blättern der Natur und Geſchichte
wahrnimmt! —
Wir ſprachen an jenem Tage nicht viel! Das Glück
iſt ſtumm und was die Liebe — die wahre Offenbarung
Gottes — ſich zuflüſtert, hat noch kein Dichter auf
Papyrus, Pergament oder Papier feſtgehalten. Die
kleine Kirche war gar feierlich heilig, als der junge
Maler — er dachte in dem Augenblick gewiß nicht an
ſein gefeiertes Bild: Milton, den Galilei im Gefängniß
zu Rom beſuchend —, als der junge Maler ſeine ſchöne
Braut hineinführte an den geſchmückten, lichterglänzen-
den Altar. Und Niemand fehlte in dem Kreiſe theilneh-
mender Geſichter umher! Da war das Atelier, da waren
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