Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.Der junge Tischler Rudolf unten aus dem Hause Die Träger kamen, hoben die leichte Last auf die Der junge Tiſchler Rudolf unten aus dem Hauſe Die Träger kamen, hoben die leichte Laſt auf die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0039" n="29"/> <p>Der junge Tiſchler Rudolf unten aus dem Hauſe<lb/> ſtand, die Augen mit der Linken bedeckend, Hammer und<lb/> Nägel in der Rechten zur Seite; ſeine junge Braut<lb/> lehnte ſchluchzend das Haupt auf ſeine Schulter. O,<lb/> ich weiß das Alles, Alles noch! — Einen letzten, langen,<lb/> langen Blick warf ich auf die ſchöne, bleiche, ſtille Ge-<lb/> ſpielin meiner Kindheit, die Heilige meiner Jünglings-<lb/> jahre, die Tröſterin meines Mannesalters, dann hob ich<lb/> leiſe Franz von ihrer Bruſt, über die er hingeſunken<lb/> war, auf und führte ihn an die Wiege ſeines Kindes.<lb/> — Rudolf der Tiſchler, begann ſein trauriges Werk.<lb/> Unter dumpfen Hammerſchlägen legte ſich der Deckel über<lb/> dies Reliquarium eines Menſchenlebens. Ein kalter<lb/> Schauer überlief mich! <hi rendition="#aq">Vale, vale cara Maria!</hi> — —</p><lb/> <p>Die Träger kamen, hoben die leichte Laſt auf die<lb/> Schultern und trugen ſie die ſchmale enge Treppe hinab;<lb/> die Frauen ſchluchzten, Kinderköpfe lugten verwundert-<lb/> ernſt durch die Hausthür und wichen ſcheu zur Seite,<lb/> als der traurige Zug hinaustrat auf die Straße. Freunde<lb/> und Bekannte hatten ſich eingefunden, das Weib des<lb/> Malers auf dem letzten Wege zu begleiten; der Keſſel-<lb/> ſchmidt zog das Mützchen ab und ſtrich mit ſeiner<lb/> ſchwarzen ſchwieligen Hand über die Augen. Den, wie<lb/> in einem böſen Traum gehenden Franz führend, ſchritt<lb/> ich dem Bretterhäuschen nach, welches unſer Liebſtes<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [29/0039]
Der junge Tiſchler Rudolf unten aus dem Hauſe
ſtand, die Augen mit der Linken bedeckend, Hammer und
Nägel in der Rechten zur Seite; ſeine junge Braut
lehnte ſchluchzend das Haupt auf ſeine Schulter. O,
ich weiß das Alles, Alles noch! — Einen letzten, langen,
langen Blick warf ich auf die ſchöne, bleiche, ſtille Ge-
ſpielin meiner Kindheit, die Heilige meiner Jünglings-
jahre, die Tröſterin meines Mannesalters, dann hob ich
leiſe Franz von ihrer Bruſt, über die er hingeſunken
war, auf und führte ihn an die Wiege ſeines Kindes.
— Rudolf der Tiſchler, begann ſein trauriges Werk.
Unter dumpfen Hammerſchlägen legte ſich der Deckel über
dies Reliquarium eines Menſchenlebens. Ein kalter
Schauer überlief mich! Vale, vale cara Maria! — —
Die Träger kamen, hoben die leichte Laſt auf die
Schultern und trugen ſie die ſchmale enge Treppe hinab;
die Frauen ſchluchzten, Kinderköpfe lugten verwundert-
ernſt durch die Hausthür und wichen ſcheu zur Seite,
als der traurige Zug hinaustrat auf die Straße. Freunde
und Bekannte hatten ſich eingefunden, das Weib des
Malers auf dem letzten Wege zu begleiten; der Keſſel-
ſchmidt zog das Mützchen ab und ſtrich mit ſeiner
ſchwarzen ſchwieligen Hand über die Augen. Den, wie
in einem böſen Traum gehenden Franz führend, ſchritt
ich dem Bretterhäuschen nach, welches unſer Liebſtes
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |