schaffe weiter, du hast keine Zeit zu verlieren; der Tod ist schnell aber du mußt schneller sein, Mann der Arbeit, wenn du sie in ihren letzten Stunden vor dem Hunger schützen willst." --
Beugt das Haupt und tretet zur Seite ihr Ketten- klirrende Verbrecher! Der Tod zieht vorüber! Er wird auch euch einst von euern Ketten befreien! Beugt das Haupt ihr armen Geschöpfe der Nacht, der Tod zieht vorüber, und auch euch hebt er einst, den erborgten Flitterputz, den armen beschmutzten Körper, die Sünde der Gesellschaft euch abstreifend, rein und heilig empor aus der Dunkelheit, dem Schmutz und dem Elend. --
Von dir, du Spötter mit dem faden Lächeln auf den Lippen fordere ich nicht, daß du zur Seite tretest! Der Zug des Todes mag dir ausweichen; -- du bist würdig dein Leben doppelt und dreifach zu leben! --
Es ist ein langer Weg aus der Mitte der großen Stadt bis zu dem Johanniskirchhofe draußen, und nie ist mir ein Weg so lang und doch zugleich so kurz vor- gekommen. Ich dachte an den Verurtheilten, der dem Richtplatz näher und näher kommt, dem jede Minute eine Ewigkeit und der stundenlange Weg ein Augenblick ist. -- Ach wir armen Menschen, ist nicht das ganze Leben ein solcher Gang zum Richtplatz -- und doch freuen wir uns und jubeln über die Blumen am Wege,
ſchaffe weiter, du haſt keine Zeit zu verlieren; der Tod iſt ſchnell aber du mußt ſchneller ſein, Mann der Arbeit, wenn du ſie in ihren letzten Stunden vor dem Hunger ſchützen willſt.“ —
Beugt das Haupt und tretet zur Seite ihr Ketten- klirrende Verbrecher! Der Tod zieht vorüber! Er wird auch euch einſt von euern Ketten befreien! Beugt das Haupt ihr armen Geſchöpfe der Nacht, der Tod zieht vorüber, und auch euch hebt er einſt, den erborgten Flitterputz, den armen beſchmutzten Körper, die Sünde der Geſellſchaft euch abſtreifend, rein und heilig empor aus der Dunkelheit, dem Schmutz und dem Elend. —
Von dir, du Spötter mit dem faden Lächeln auf den Lippen fordere ich nicht, daß du zur Seite treteſt! Der Zug des Todes mag dir ausweichen; — du biſt würdig dein Leben doppelt und dreifach zu leben! —
Es iſt ein langer Weg aus der Mitte der großen Stadt bis zu dem Johanniskirchhofe draußen, und nie iſt mir ein Weg ſo lang und doch zugleich ſo kurz vor- gekommen. Ich dachte an den Verurtheilten, der dem Richtplatz näher und näher kommt, dem jede Minute eine Ewigkeit und der ſtundenlange Weg ein Augenblick iſt. — Ach wir armen Menſchen, iſt nicht das ganze Leben ein ſolcher Gang zum Richtplatz — und doch freuen wir uns und jubeln über die Blumen am Wege,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0041"n="31"/>ſchaffe weiter, du haſt keine Zeit zu verlieren; der Tod<lb/>
iſt ſchnell aber du mußt ſchneller ſein, Mann der Arbeit,<lb/>
wenn du ſie in ihren letzten Stunden vor dem Hunger<lb/>ſchützen willſt.“—</p><lb/><p>Beugt das Haupt und tretet zur Seite ihr Ketten-<lb/>
klirrende Verbrecher! Der Tod zieht vorüber! Er wird<lb/>
auch euch einſt von euern Ketten befreien! Beugt das<lb/>
Haupt ihr armen Geſchöpfe der Nacht, der Tod zieht<lb/>
vorüber, und auch euch hebt er einſt, den erborgten<lb/>
Flitterputz, den armen beſchmutzten Körper, die Sünde<lb/>
der Geſellſchaft euch abſtreifend, rein und heilig empor<lb/>
aus der Dunkelheit, dem Schmutz und dem Elend. —</p><lb/><p>Von dir, du Spötter mit dem faden Lächeln auf<lb/>
den Lippen fordere ich nicht, daß du zur Seite treteſt!<lb/>
Der Zug des Todes mag <hirendition="#g">dir</hi> ausweichen; — du biſt<lb/>
würdig dein Leben doppelt und dreifach zu leben! —</p><lb/><p>Es iſt ein langer Weg aus der Mitte der großen<lb/>
Stadt bis zu dem Johanniskirchhofe draußen, und nie<lb/>
iſt mir ein Weg ſo lang und doch zugleich ſo kurz vor-<lb/>
gekommen. Ich dachte an den Verurtheilten, der dem<lb/>
Richtplatz näher und näher kommt, dem jede Minute<lb/>
eine Ewigkeit und der ſtundenlange Weg ein Augenblick<lb/>
iſt. — Ach wir armen Menſchen, iſt nicht das ganze<lb/>
Leben ein ſolcher Gang zum Richtplatz — und doch<lb/>
freuen wir uns und jubeln über die Blumen am Wege,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[31/0041]
ſchaffe weiter, du haſt keine Zeit zu verlieren; der Tod
iſt ſchnell aber du mußt ſchneller ſein, Mann der Arbeit,
wenn du ſie in ihren letzten Stunden vor dem Hunger
ſchützen willſt.“ —
Beugt das Haupt und tretet zur Seite ihr Ketten-
klirrende Verbrecher! Der Tod zieht vorüber! Er wird
auch euch einſt von euern Ketten befreien! Beugt das
Haupt ihr armen Geſchöpfe der Nacht, der Tod zieht
vorüber, und auch euch hebt er einſt, den erborgten
Flitterputz, den armen beſchmutzten Körper, die Sünde
der Geſellſchaft euch abſtreifend, rein und heilig empor
aus der Dunkelheit, dem Schmutz und dem Elend. —
Von dir, du Spötter mit dem faden Lächeln auf
den Lippen fordere ich nicht, daß du zur Seite treteſt!
Der Zug des Todes mag dir ausweichen; — du biſt
würdig dein Leben doppelt und dreifach zu leben! —
Es iſt ein langer Weg aus der Mitte der großen
Stadt bis zu dem Johanniskirchhofe draußen, und nie
iſt mir ein Weg ſo lang und doch zugleich ſo kurz vor-
gekommen. Ich dachte an den Verurtheilten, der dem
Richtplatz näher und näher kommt, dem jede Minute
eine Ewigkeit und der ſtundenlange Weg ein Augenblick
iſt. — Ach wir armen Menſchen, iſt nicht das ganze
Leben ein ſolcher Gang zum Richtplatz — und doch
freuen wir uns und jubeln über die Blumen am Wege,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/41>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.