Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.schaffe weiter, du hast keine Zeit zu verlieren; der Tod Beugt das Haupt und tretet zur Seite ihr Ketten- Von dir, du Spötter mit dem faden Lächeln auf Es ist ein langer Weg aus der Mitte der großen ſchaffe weiter, du haſt keine Zeit zu verlieren; der Tod Beugt das Haupt und tretet zur Seite ihr Ketten- Von dir, du Spötter mit dem faden Lächeln auf Es iſt ein langer Weg aus der Mitte der großen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0041" n="31"/> ſchaffe weiter, du haſt keine Zeit zu verlieren; der Tod<lb/> iſt ſchnell aber du mußt ſchneller ſein, Mann der Arbeit,<lb/> wenn du ſie in ihren letzten Stunden vor dem Hunger<lb/> ſchützen willſt.“ —</p><lb/> <p>Beugt das Haupt und tretet zur Seite ihr Ketten-<lb/> klirrende Verbrecher! Der Tod zieht vorüber! Er wird<lb/> auch euch einſt von euern Ketten befreien! Beugt das<lb/> Haupt ihr armen Geſchöpfe der Nacht, der Tod zieht<lb/> vorüber, und auch euch hebt er einſt, den erborgten<lb/> Flitterputz, den armen beſchmutzten Körper, die Sünde<lb/> der Geſellſchaft euch abſtreifend, rein und heilig empor<lb/> aus der Dunkelheit, dem Schmutz und dem Elend. —</p><lb/> <p>Von dir, du Spötter mit dem faden Lächeln auf<lb/> den Lippen fordere ich nicht, daß du zur Seite treteſt!<lb/> Der Zug des Todes mag <hi rendition="#g">dir</hi> ausweichen; — du biſt<lb/> würdig dein Leben doppelt und dreifach zu leben! —</p><lb/> <p>Es iſt ein langer Weg aus der Mitte der großen<lb/> Stadt bis zu dem Johanniskirchhofe draußen, und nie<lb/> iſt mir ein Weg ſo lang und doch zugleich ſo kurz vor-<lb/> gekommen. Ich dachte an den Verurtheilten, der dem<lb/> Richtplatz näher und näher kommt, dem jede Minute<lb/> eine Ewigkeit und der ſtundenlange Weg ein Augenblick<lb/> iſt. — Ach wir armen Menſchen, iſt nicht das ganze<lb/> Leben ein ſolcher Gang zum Richtplatz — und doch<lb/> freuen wir uns und jubeln über die Blumen am Wege,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [31/0041]
ſchaffe weiter, du haſt keine Zeit zu verlieren; der Tod
iſt ſchnell aber du mußt ſchneller ſein, Mann der Arbeit,
wenn du ſie in ihren letzten Stunden vor dem Hunger
ſchützen willſt.“ —
Beugt das Haupt und tretet zur Seite ihr Ketten-
klirrende Verbrecher! Der Tod zieht vorüber! Er wird
auch euch einſt von euern Ketten befreien! Beugt das
Haupt ihr armen Geſchöpfe der Nacht, der Tod zieht
vorüber, und auch euch hebt er einſt, den erborgten
Flitterputz, den armen beſchmutzten Körper, die Sünde
der Geſellſchaft euch abſtreifend, rein und heilig empor
aus der Dunkelheit, dem Schmutz und dem Elend. —
Von dir, du Spötter mit dem faden Lächeln auf
den Lippen fordere ich nicht, daß du zur Seite treteſt!
Der Zug des Todes mag dir ausweichen; — du biſt
würdig dein Leben doppelt und dreifach zu leben! —
Es iſt ein langer Weg aus der Mitte der großen
Stadt bis zu dem Johanniskirchhofe draußen, und nie
iſt mir ein Weg ſo lang und doch zugleich ſo kurz vor-
gekommen. Ich dachte an den Verurtheilten, der dem
Richtplatz näher und näher kommt, dem jede Minute
eine Ewigkeit und der ſtundenlange Weg ein Augenblick
iſt. — Ach wir armen Menſchen, iſt nicht das ganze
Leben ein ſolcher Gang zum Richtplatz — und doch
freuen wir uns und jubeln über die Blumen am Wege,
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