"Als ich sie da fand," sagte Burchhard, "hielt sie die eine Hand fest zu und das Gold eines Ringes schim- merte durch die starren Finger. Komm mit!" --
Der Alte führte mich seitab in den Wald, wo ein Stein mit einem Kreuz bezeichnet im Moose lag. Er knieete nieder, hob ihn weg und wühlte eine Zeitlang in der Erde.
"Da!" sagte er plötzlich und schleuderte den kleinen goldenen Reif, als habe er eine Schlange berührt, in's Gras. Es war auch eine Schlange, die einen wappen- geschmückten Rubin mit Kopf und Schweifende umschlang. "Du wirst ihn in diesem Kästchen finden, Johannes!" --
An jenem Abend noch starb mein Oheim und ich führte seine Leiche, wie du weißt, Johannes, nach Ul- felden. Ich weiß nicht, der Tod des alten Mannes erschien mir als gleichgültig im Vergleich mit dem Schrecklichen, welches mir enthüllt war. -- Es war übrigens ein seltsamer Zug; wir hatten den schwarzen Sarg auf einen niedern Wagen mit Zweigen und Wald- blumen geschmückt, gestellt; die Holzhauer mit ihren Aexten, die umwohnenden Köhler mit ihren Schürstan- gen gaben ihm das Geleit. Dicht hinter dem Sarg schritt der alte Burchhard, die Büchse und das Wald- horn über der Schulter, die Hunde um ihn her. Von Zeit zu Zeit bließ er eine lustige, schmetternde Jäger-
„Als ich ſie da fand,“ ſagte Burchhard, „hielt ſie die eine Hand feſt zu und das Gold eines Ringes ſchim- merte durch die ſtarren Finger. Komm mit!“ —
Der Alte führte mich ſeitab in den Wald, wo ein Stein mit einem Kreuz bezeichnet im Mooſe lag. Er knieete nieder, hob ihn weg und wühlte eine Zeitlang in der Erde.
„Da!“ ſagte er plötzlich und ſchleuderte den kleinen goldenen Reif, als habe er eine Schlange berührt, in’s Gras. Es war auch eine Schlange, die einen wappen- geſchmückten Rubin mit Kopf und Schweifende umſchlang. „Du wirſt ihn in dieſem Käſtchen finden, Johannes!“ —
An jenem Abend noch ſtarb mein Oheim und ich führte ſeine Leiche, wie du weißt, Johannes, nach Ul- felden. Ich weiß nicht, der Tod des alten Mannes erſchien mir als gleichgültig im Vergleich mit dem Schrecklichen, welches mir enthüllt war. — Es war übrigens ein ſeltſamer Zug; wir hatten den ſchwarzen Sarg auf einen niedern Wagen mit Zweigen und Wald- blumen geſchmückt, geſtellt; die Holzhauer mit ihren Aexten, die umwohnenden Köhler mit ihren Schürſtan- gen gaben ihm das Geleit. Dicht hinter dem Sarg ſchritt der alte Burchhard, die Büchſe und das Wald- horn über der Schulter, die Hunde um ihn her. Von Zeit zu Zeit bließ er eine luſtige, ſchmetternde Jäger-
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„Als ich ſie da fand,“ ſagte Burchhard, „hielt ſie
die eine Hand feſt zu und das Gold eines Ringes ſchim-
merte durch die ſtarren Finger. Komm mit!“ —
Der Alte führte mich ſeitab in den Wald, wo ein
Stein mit einem Kreuz bezeichnet im Mooſe lag. Er
knieete nieder, hob ihn weg und wühlte eine Zeitlang
in der Erde.
„Da!“ ſagte er plötzlich und ſchleuderte den kleinen
goldenen Reif, als habe er eine Schlange berührt, in’s
Gras. Es war auch eine Schlange, die einen wappen-
geſchmückten Rubin mit Kopf und Schweifende umſchlang.
„Du wirſt ihn in dieſem Käſtchen finden, Johannes!“ —
An jenem Abend noch ſtarb mein Oheim und ich
führte ſeine Leiche, wie du weißt, Johannes, nach Ul-
felden. Ich weiß nicht, der Tod des alten Mannes
erſchien mir als gleichgültig im Vergleich mit dem
Schrecklichen, welches mir enthüllt war. — Es war
übrigens ein ſeltſamer Zug; wir hatten den ſchwarzen
Sarg auf einen niedern Wagen mit Zweigen und Wald-
blumen geſchmückt, geſtellt; die Holzhauer mit ihren
Aexten, die umwohnenden Köhler mit ihren Schürſtan-
gen gaben ihm das Geleit. Dicht hinter dem Sarg
ſchritt der alte Burchhard, die Büchſe und das Wald-
horn über der Schulter, die Hunde um ihn her. Von
Zeit zu Zeit bließ er eine luſtige, ſchmetternde Jäger-
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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/70>, abgerufen am 16.02.2025.
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