Talent, Kinder vor Entzücken außer sich zu bringen, ent- wickelte jetzt der Karikaturenzeichner. Er hatte der Mutter den dicken Bengel sogleich abgenommen, ließ ihn nun gar nicht aus dem Aufkreischen herauskommen und schleppte ihn hoch auf der Schulter durch das Gewühl voran. "O ich bin Ihnen so dankbar, so dankbar Herr Wachholder," flüsterte die kleine Tänzerin, zu deren Be- schützer ich mich sehr gravitätisch aufwarf.
"Liebes Kind," sagte ich, "ein Paar solcher Jung- gesellen wie ich und mein Freund würden solche Abende wie dieser sehr übel zubringen, wenn nicht dann aus- drücklich eine Vorsehung über sie wachte!" --
"Sie sollen einmal sehen, wie prächtig wir heute Abend noch Weihnachten feiern werden; -- hören Sie nur, wie Alfred jubelt; -- sehen Sie, wie stolz und glück- lich er unter der Pickelhaube vorschaut, die ihm eben der Herr Strobel übergestülpt hat!" --
Der Karikaturenzeichner hätte sich in diesem Augen- blick sehr gut selbst abconterfeien können -- er that es auch, aber später. -- Wundervoll sah er aus. Im Knopfloche baumelte ein gewaltiger Hampelmann, in der rechten Hand hatte er eine große Knarre, die er energisch schwenkte; während auf seinem linken Arm Al- fred mit aller Macht auf eine Trommel paukte.
"Kleine Dame," sagte der Zeichner jetzt zu unserer
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Talent, Kinder vor Entzücken außer ſich zu bringen, ent- wickelte jetzt der Karikaturenzeichner. Er hatte der Mutter den dicken Bengel ſogleich abgenommen, ließ ihn nun gar nicht aus dem Aufkreiſchen herauskommen und ſchleppte ihn hoch auf der Schulter durch das Gewühl voran. „O ich bin Ihnen ſo dankbar, ſo dankbar Herr Wachholder,“ flüſterte die kleine Tänzerin, zu deren Be- ſchützer ich mich ſehr gravitätiſch aufwarf.
„Liebes Kind,“ ſagte ich, „ein Paar ſolcher Jung- geſellen wie ich und mein Freund würden ſolche Abende wie dieſer ſehr übel zubringen, wenn nicht dann aus- drücklich eine Vorſehung über ſie wachte!“ —
„Sie ſollen einmal ſehen, wie prächtig wir heute Abend noch Weihnachten feiern werden; — hören Sie nur, wie Alfred jubelt; — ſehen Sie, wie ſtolz und glück- lich er unter der Pickelhaube vorſchaut, die ihm eben der Herr Strobel übergeſtülpt hat!“ —
Der Karikaturenzeichner hätte ſich in dieſem Augen- blick ſehr gut ſelbſt abconterfeien können — er that es auch, aber ſpäter. — Wundervoll ſah er aus. Im Knopfloche baumelte ein gewaltiger Hampelmann, in der rechten Hand hatte er eine große Knarre, die er energiſch ſchwenkte; während auf ſeinem linken Arm Al- fred mit aller Macht auf eine Trommel paukte.
„Kleine Dame,“ ſagte der Zeichner jetzt zu unſerer
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Talent, Kinder vor Entzücken außer ſich zu bringen, ent-
wickelte jetzt der Karikaturenzeichner. Er hatte der
Mutter den dicken Bengel ſogleich abgenommen, ließ ihn
nun gar nicht aus dem Aufkreiſchen herauskommen und
ſchleppte ihn hoch auf der Schulter durch das Gewühl
voran. „O ich bin Ihnen ſo dankbar, ſo dankbar Herr
Wachholder,“ flüſterte die kleine Tänzerin, zu deren Be-
ſchützer ich mich ſehr gravitätiſch aufwarf.
„Liebes Kind,“ ſagte ich, „ein Paar ſolcher Jung-
geſellen wie ich und mein Freund würden ſolche Abende
wie dieſer ſehr übel zubringen, wenn nicht dann aus-
drücklich eine Vorſehung über ſie wachte!“ —
„Sie ſollen einmal ſehen, wie prächtig wir heute
Abend noch Weihnachten feiern werden; — hören Sie
nur, wie Alfred jubelt; — ſehen Sie, wie ſtolz und glück-
lich er unter der Pickelhaube vorſchaut, die ihm eben
der Herr Strobel übergeſtülpt hat!“ —
Der Karikaturenzeichner hätte ſich in dieſem Augen-
blick ſehr gut ſelbſt abconterfeien können — er that es
auch, aber ſpäter. — Wundervoll ſah er aus. Im
Knopfloche baumelte ein gewaltiger Hampelmann, in
der rechten Hand hatte er eine große Knarre, die er
energiſch ſchwenkte; während auf ſeinem linken Arm Al-
fred mit aller Macht auf eine Trommel paukte.
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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/77>, abgerufen am 18.07.2024.
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