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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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Begleiterin, "stecken Sie mir doch einmal jene Düte in
die Rocktasche, ich komme nicht dazu! Heda, alter Wach-
holder!" schrie er dann mich an, "gleiche ich nicht auf's
Haar einer Kammerverhandlung? Rechts Geknarre, links
Getrommel und für das Fassen und Einsacken der be-
gehrten Süßigkeiten weder Kraft noch Platz!" --

"Mama, der Onkel aber mal rechter Onkel!" rief
der Kleine entzückt von seinem Throne herab, als Ro-
salie der Anforderung Strobel's nachkam, und ich eben-
falls die Taschen mit Allerlei füllte. --

So ging es weiter, bis uns endlich die Kälte zu
heftig wurde. Der Zeichner löste sich auf -- wie er's
nannte -- und überlieferte mir die Spielzeugbehangene
Linke, behielt jedoch die Knarre in der Rechten und nun
gings durch die Menschen- und Lichtererfüllten Straßen
nach Hause. Wie glänzte heute Abend die alte, dunkle
Sperlingsgasse! Von den Kellern bis zum sechsten Stock,
bis in die kleinste Dachstube war die Weihnachtszeit ein-
gekehrt; freilich nicht allenthalben auf gleich "fröhliche,
selige, gnadebringende" Weise. Welch' einen Abend
feierten wir nun! Wir ließen unsere kleine Begleiterin
natürlich nicht zu ihrem kaltgewordenen Stübchen hin-
aufsteigen. War ich nicht schon auf der Universität mei-
nes famosen Punschmachens wegen berühmt gewesen?
(eine Kunst, die mir mein Vater mit auf den Lebens-

Begleiterin, „ſtecken Sie mir doch einmal jene Düte in
die Rocktaſche, ich komme nicht dazu! Heda, alter Wach-
holder!“ ſchrie er dann mich an, „gleiche ich nicht auf’s
Haar einer Kammerverhandlung? Rechts Geknarre, links
Getrommel und für das Faſſen und Einſacken der be-
gehrten Süßigkeiten weder Kraft noch Platz!“ —

„Mama, der Onkel aber mal rechter Onkel!“ rief
der Kleine entzückt von ſeinem Throne herab, als Ro-
ſalie der Anforderung Strobel’s nachkam, und ich eben-
falls die Taſchen mit Allerlei füllte. —

So ging es weiter, bis uns endlich die Kälte zu
heftig wurde. Der Zeichner löſte ſich auf — wie er’s
nannte — und überlieferte mir die Spielzeugbehangene
Linke, behielt jedoch die Knarre in der Rechten und nun
gings durch die Menſchen- und Lichtererfüllten Straßen
nach Hauſe. Wie glänzte heute Abend die alte, dunkle
Sperlingsgaſſe! Von den Kellern bis zum ſechſten Stock,
bis in die kleinſte Dachſtube war die Weihnachtszeit ein-
gekehrt; freilich nicht allenthalben auf gleich „fröhliche,
ſelige, gnadebringende“ Weiſe. Welch’ einen Abend
feierten wir nun! Wir ließen unſere kleine Begleiterin
natürlich nicht zu ihrem kaltgewordenen Stübchen hin-
aufſteigen. War ich nicht ſchon auf der Univerſität mei-
nes famoſen Punſchmachens wegen berühmt geweſen?
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[68/0078] Begleiterin, „ſtecken Sie mir doch einmal jene Düte in die Rocktaſche, ich komme nicht dazu! Heda, alter Wach- holder!“ ſchrie er dann mich an, „gleiche ich nicht auf’s Haar einer Kammerverhandlung? Rechts Geknarre, links Getrommel und für das Faſſen und Einſacken der be- gehrten Süßigkeiten weder Kraft noch Platz!“ — „Mama, der Onkel aber mal rechter Onkel!“ rief der Kleine entzückt von ſeinem Throne herab, als Ro- ſalie der Anforderung Strobel’s nachkam, und ich eben- falls die Taſchen mit Allerlei füllte. — So ging es weiter, bis uns endlich die Kälte zu heftig wurde. Der Zeichner löſte ſich auf — wie er’s nannte — und überlieferte mir die Spielzeugbehangene Linke, behielt jedoch die Knarre in der Rechten und nun gings durch die Menſchen- und Lichtererfüllten Straßen nach Hauſe. Wie glänzte heute Abend die alte, dunkle Sperlingsgaſſe! Von den Kellern bis zum ſechſten Stock, bis in die kleinſte Dachſtube war die Weihnachtszeit ein- gekehrt; freilich nicht allenthalben auf gleich „fröhliche, ſelige, gnadebringende“ Weiſe. Welch’ einen Abend feierten wir nun! Wir ließen unſere kleine Begleiterin natürlich nicht zu ihrem kaltgewordenen Stübchen hin- aufſteigen. War ich nicht ſchon auf der Univerſität mei- nes famoſen Punſchmachens wegen berühmt geweſen? (eine Kunſt, die mir mein Vater mit auf den Lebens-

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/78>, abgerufen am 21.11.2024.