Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.Pflegevaters, auf Martha's Schooß tanzte, als ich auch Im zweiten Fenster stand Franzens Staffelei: Pflegevaters, auf Martha’s Schooß tanzte, als ich auch Im zweiten Fenſter ſtand Franzens Staffelei: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0082" n="72"/> Pflegevaters, auf Martha’s Schooß tanzte, als ich auch<lb/> von <hi rendition="#g">dem</hi> Begräbniſſe zurückkehrte in dieſe vor kurzem<lb/> noch ſo fröhliche, jetzt ſo öde Wohnung in No. 7. der<lb/> Sperlingsgaſſe. Da ſtand — es ſteht noch da — auf<lb/> dem Fenſtertritt Mariens kleines Nähtiſchchen mit un-<lb/> vollendeten Arbeiten, Zwirnknäulchen, Nadeln und Bän-<lb/> dern, wie ſie es an <hi rendition="#g">jenem</hi> Abend, über Kopfweh kla-<lb/> gend, verlaſſen, um nicht wieder davor zu ſitzen, nicht<lb/> wieder durch die Roſen- und Reſedaſtöcke und das Epheu-<lb/> gitter in die dunkle Gaſſe hinaus zu ſchauen. Da waren<lb/> noch allenthalben die Spuren ihrer zierlichen Geſchäftig-<lb/> keit. Franz hatte die letzten drei Monate wie ein Ar-<lb/> gus über ihre Erhaltung gewacht. — Dort auf jenem<lb/> Stuhl hing ihr Hütchen, dort das Handkörbchen, welches<lb/> ſie bei ihren Einkäufen mit ſich führte. —</p><lb/> <p>Im zweiten Fenſter ſtand Franzens Staffelei:<lb/> das vollendete Bild Mariens, lächelnd, wie ſie nur<lb/> lächeln konnte, — darauf lehnend. Seine farbenbedeckte<lb/> Palette hing daneben, ſeine Skizzenmappen und Rollen<lb/> lehnten und lagen allenthalben. Hinter der Thür hing<lb/> ſein zerdrückter Biber, den wir ſo oft auf unſern Spa-<lb/> ziergängen mit Blumen und Laubgewinden umkränzten<lb/> und der Marien, ſeines jämmerlichen manchen -ſturm-<lb/> durchlebten Ausſehens wegen, ein ſolcher Dorn im<lb/> Auge war.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [72/0082]
Pflegevaters, auf Martha’s Schooß tanzte, als ich auch
von dem Begräbniſſe zurückkehrte in dieſe vor kurzem
noch ſo fröhliche, jetzt ſo öde Wohnung in No. 7. der
Sperlingsgaſſe. Da ſtand — es ſteht noch da — auf
dem Fenſtertritt Mariens kleines Nähtiſchchen mit un-
vollendeten Arbeiten, Zwirnknäulchen, Nadeln und Bän-
dern, wie ſie es an jenem Abend, über Kopfweh kla-
gend, verlaſſen, um nicht wieder davor zu ſitzen, nicht
wieder durch die Roſen- und Reſedaſtöcke und das Epheu-
gitter in die dunkle Gaſſe hinaus zu ſchauen. Da waren
noch allenthalben die Spuren ihrer zierlichen Geſchäftig-
keit. Franz hatte die letzten drei Monate wie ein Ar-
gus über ihre Erhaltung gewacht. — Dort auf jenem
Stuhl hing ihr Hütchen, dort das Handkörbchen, welches
ſie bei ihren Einkäufen mit ſich führte. —
Im zweiten Fenſter ſtand Franzens Staffelei:
das vollendete Bild Mariens, lächelnd, wie ſie nur
lächeln konnte, — darauf lehnend. Seine farbenbedeckte
Palette hing daneben, ſeine Skizzenmappen und Rollen
lehnten und lagen allenthalben. Hinter der Thür hing
ſein zerdrückter Biber, den wir ſo oft auf unſern Spa-
ziergängen mit Blumen und Laubgewinden umkränzten
und der Marien, ſeines jämmerlichen manchen -ſturm-
durchlebten Ausſehens wegen, ein ſolcher Dorn im
Auge war.
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