es freut mich ungemein, Arm in Arm mit Dir diese Schwelle überschreiten zu können."
Damit schob er seine Frau von mir ab und sie vor uns ins Haus. Er watschelte richtig Arm in Arm mit mir hinterdrein, nicht ohne vorher noch einen Augenblick stehen geblieben zu sein und mich auf die Ueberschrift seiner Thür aufmerksam gemacht zu haben. Ich traute meinen Augen nicht; aber es stand wahr- haftig da, in großen weißen Lettern auf schwarzem Grunde angemalt, zu lesen:
Da redete Gott mit Noah und sprach: Gehe aus dem Kasten.
Und als ich den Dicken darob wirklich nicht ganz ohne Verwunderung ansah, lächelte dieser behaglichste aller Lehnstuhlmenschen überlegen und sprach:
"Weil ihr ein bischen weiter als ich in die Welt hinein euch die Füße vertreten habt, meint ihr selbstverständlich, daß ich ganz und gar im Kasten sitzen geblieben sei. Ne, ne, lieber Eduard, es ist wirklich mein Lebensmotto: Gehe heraus aus dem Kasten!"
Ich würde Einiges zu erwiedern gehabt haben, aber er ließ mich wahrlich wiederum nicht zum Worte, sondern fuhr fort:
"Was sagst Du aber schon hier draußen zu den kleinen Verschönerungen, die ich an Tinchen Quakatzens Erbsitz vorgenommen habe. Hier auswendig am Hause, meine ich. Nicht wahr, hell und freundlich? -- alles was Pinsel und Farbentopf in dieser Hinsicht ins Erheiternde zu thun vermochten!"
es freut mich ungemein, Arm in Arm mit Dir dieſe Schwelle überſchreiten zu können.“
Damit ſchob er ſeine Frau von mir ab und ſie vor uns ins Haus. Er watſchelte richtig Arm in Arm mit mir hinterdrein, nicht ohne vorher noch einen Augenblick ſtehen geblieben zu ſein und mich auf die Ueberſchrift ſeiner Thür aufmerkſam gemacht zu haben. Ich traute meinen Augen nicht; aber es ſtand wahr- haftig da, in großen weißen Lettern auf ſchwarzem Grunde angemalt, zu leſen:
Da redete Gott mit Noah und ſprach: Gehe aus dem Kaſten.
Und als ich den Dicken darob wirklich nicht ganz ohne Verwunderung anſah, lächelte dieſer behaglichſte aller Lehnſtuhlmenſchen überlegen und ſprach:
„Weil ihr ein bischen weiter als ich in die Welt hinein euch die Füße vertreten habt, meint ihr ſelbſtverſtändlich, daß ich ganz und gar im Kaſten ſitzen geblieben ſei. Ne, ne, lieber Eduard, es iſt wirklich mein Lebensmotto: Gehe heraus aus dem Kaſten!“
Ich würde Einiges zu erwiedern gehabt haben, aber er ließ mich wahrlich wiederum nicht zum Worte, ſondern fuhr fort:
„Was ſagſt Du aber ſchon hier draußen zu den kleinen Verſchönerungen, die ich an Tinchen Quakatzens Erbſitz vorgenommen habe. Hier auswendig am Hauſe, meine ich. Nicht wahr, hell und freundlich? — alles was Pinſel und Farbentopf in dieſer Hinſicht ins Erheiternde zu thun vermochten!“
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es freut mich ungemein, Arm in Arm mit Dir dieſe
Schwelle überſchreiten zu können.“
Damit ſchob er ſeine Frau von mir ab und ſie
vor uns ins Haus. Er watſchelte richtig Arm in Arm
mit mir hinterdrein, nicht ohne vorher noch einen
Augenblick ſtehen geblieben zu ſein und mich auf die
Ueberſchrift ſeiner Thür aufmerkſam gemacht zu haben.
Ich traute meinen Augen nicht; aber es ſtand wahr-
haftig da, in großen weißen Lettern auf ſchwarzem
Grunde angemalt, zu leſen:
Da redete Gott mit Noah und ſprach:
Gehe aus dem Kaſten.
Und als ich den Dicken darob wirklich nicht ganz
ohne Verwunderung anſah, lächelte dieſer behaglichſte
aller Lehnſtuhlmenſchen überlegen und ſprach:
„Weil ihr ein bischen weiter als ich in die
Welt hinein euch die Füße vertreten habt, meint ihr
ſelbſtverſtändlich, daß ich ganz und gar im Kaſten
ſitzen geblieben ſei. Ne, ne, lieber Eduard, es iſt
wirklich mein Lebensmotto: Gehe heraus aus dem
Kaſten!“
Ich würde Einiges zu erwiedern gehabt haben,
aber er ließ mich wahrlich wiederum nicht zum Worte,
ſondern fuhr fort:
„Was ſagſt Du aber ſchon hier draußen zu den
kleinen Verſchönerungen, die ich an Tinchen Quakatzens
Erbſitz vorgenommen habe. Hier auswendig am
Hauſe, meine ich. Nicht wahr, hell und freundlich? —
alles was Pinſel und Farbentopf in dieſer Hinſicht
ins Erheiternde zu thun vermochten!“
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/106>, abgerufen am 16.02.2025.
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