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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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Schaumann lächelte über unsern Suppennapf mich
an und sagte:

"Merken Sie es wohl, wie gründlich Heinrich
mich erzogen hat? Ich habe auch garnichts dagegen,
wenn er es Ihnen nach Tisch noch gründlicher er-
zählt, wie er das angefangen hat, und wie er mich
auch heute noch auf der Schulbank sitzen hat. Das
heißt, Alter, Dein Nachmittagsschläfchen hältst Du
erst wie gewöhnlich, d[e]nn Herr Eduard wird aus
seinem heißen Afrika wohl auch ein wenig daran ge-
wöhnt sein."

"Wenn Eduard zu schlummern wünscht, schlummre
ich gewiß auch ein wenig ihm zu Liebe. Mit den
gewöhnlichen Gewissensbissen der ärztlichen Rathschläge
wegen. Und hat Dir Gott 'nen Wanst beschert, so
halte ihn -- und so weiter. Na, der Herr beschere
uns Allen einen sanften Sophatod."

"Du gehst mir heute und von heute an jeden
Tag auf der Stelle nach dem Essen mit Deinem
Freunde oder mit mir in den Garten und auf den
Wall!" rief Frau Valentine. "Heinrich, ich bin im
Stande und blase noch einmal ein Feuer unter den
Linden an und verbrenne Dir alle unsere Sophas
unterm Leibe."

"O Du süße, umgekehrte indische Wittwe in spe!"
grinste Stopfkuchen, und dann war er eine geraume
Zeit wieder einmal ganz bei der Sache, nämlich nur
bei Tische, ganz und gar, einzig und allein, nur bei
Tische! Wir speisten vorzüglich, und eine Viertel-
stunde lang sagte er einmal kein Wort. Der Behag-

Schaumann lächelte über unſern Suppennapf mich
an und ſagte:

„Merken Sie es wohl, wie gründlich Heinrich
mich erzogen hat? Ich habe auch garnichts dagegen,
wenn er es Ihnen nach Tiſch noch gründlicher er-
zählt, wie er das angefangen hat, und wie er mich
auch heute noch auf der Schulbank ſitzen hat. Das
heißt, Alter, Dein Nachmittagsſchläfchen hältſt Du
erſt wie gewöhnlich, d[e]nn Herr Eduard wird aus
ſeinem heißen Afrika wohl auch ein wenig daran ge-
wöhnt ſein.“

„Wenn Eduard zu ſchlummern wünſcht, ſchlummre
ich gewiß auch ein wenig ihm zu Liebe. Mit den
gewöhnlichen Gewiſſensbiſſen der ärztlichen Rathſchläge
wegen. Und hat Dir Gott 'nen Wanſt beſchert, ſo
halte ihn — und ſo weiter. Na, der Herr beſchere
uns Allen einen ſanften Sophatod.“

„Du gehſt mir heute und von heute an jeden
Tag auf der Stelle nach dem Eſſen mit Deinem
Freunde oder mit mir in den Garten und auf den
Wall!“ rief Frau Valentine. „Heinrich, ich bin im
Stande und blaſe noch einmal ein Feuer unter den
Linden an und verbrenne Dir alle unſere Sophas
unterm Leibe.“

„O Du ſüße, umgekehrte indiſche Wittwe in spe!
grinſte Stopfkuchen, und dann war er eine geraume
Zeit wieder einmal ganz bei der Sache, nämlich nur
bei Tiſche, ganz und gar, einzig und allein, nur bei
Tiſche! Wir ſpeiſten vorzüglich, und eine Viertel-
ſtunde lang ſagte er einmal kein Wort. Der Behag-

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[102/0112] Schaumann lächelte über unſern Suppennapf mich an und ſagte: „Merken Sie es wohl, wie gründlich Heinrich mich erzogen hat? Ich habe auch garnichts dagegen, wenn er es Ihnen nach Tiſch noch gründlicher er- zählt, wie er das angefangen hat, und wie er mich auch heute noch auf der Schulbank ſitzen hat. Das heißt, Alter, Dein Nachmittagsſchläfchen hältſt Du erſt wie gewöhnlich, denn Herr Eduard wird aus ſeinem heißen Afrika wohl auch ein wenig daran ge- wöhnt ſein.“ „Wenn Eduard zu ſchlummern wünſcht, ſchlummre ich gewiß auch ein wenig ihm zu Liebe. Mit den gewöhnlichen Gewiſſensbiſſen der ärztlichen Rathſchläge wegen. Und hat Dir Gott 'nen Wanſt beſchert, ſo halte ihn — und ſo weiter. Na, der Herr beſchere uns Allen einen ſanften Sophatod.“ „Du gehſt mir heute und von heute an jeden Tag auf der Stelle nach dem Eſſen mit Deinem Freunde oder mit mir in den Garten und auf den Wall!“ rief Frau Valentine. „Heinrich, ich bin im Stande und blaſe noch einmal ein Feuer unter den Linden an und verbrenne Dir alle unſere Sophas unterm Leibe.“ „O Du ſüße, umgekehrte indiſche Wittwe in spe!“ grinſte Stopfkuchen, und dann war er eine geraume Zeit wieder einmal ganz bei der Sache, nämlich nur bei Tiſche, ganz und gar, einzig und allein, nur bei Tiſche! Wir ſpeiſten vorzüglich, und eine Viertel- ſtunde lang ſagte er einmal kein Wort. Der Behag-

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/112>, abgerufen am 24.11.2024.