Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891."Entschuldige, daß ich Dich unterbrochen habe. "Nicht wahr, für den Schwiegersohn von Kien- „Entſchuldige, daß ich Dich unterbrochen habe. „Nicht wahr, für den Schwiegerſohn von Kien- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0124" n="114"/> <p>„Entſchuldige, daß ich Dich unterbrochen habe.<lb/> Erzähle weiter, Stopfkuchen.“</p><lb/> <p>„Nicht wahr, für den Schwiegerſohn von Kien-<lb/> baums Mörder erzähle ich hübſch gemüthlich? Ja, ja,<lb/> es war im vollſten Sinne des Wortes eine Mord-<lb/> wirthſchaft, in welcher ich mich zum einzigen Haus-<lb/> und Familienfreunde auswuchs! Die Verſicherung<lb/> kann ich Dir geben, Freund, daß nur ſehr ſelten ein<lb/> Schwiegervater ſich ſeinen Schwiegerſohn in ſo kurioſer<lb/> Weiſe groß und allgemach ans Herz gezogen hat wie<lb/> Vater Quakatz mich, ſeinen dicken, braven Heinrich.<lb/> Und dann der Heckenſpatz, dem ich im Getümmel des<lb/> Kampfes Salz auf den Schwanz geſtreut hatte, oder<lb/> vielmehr der Schmetterling, auf den ich mit blutender<lb/> Naſe und blauem Buckel die Schülermütze gedeckt<lb/> hatte. Ja, ja, ſo einen ſaubern fängt ſich nicht jeder<lb/> ein, der auf dieſe Jagd ausgeht! Herrjeh, wie das<lb/> Frauenzimmer in jenen Tagen ausſah! ſolch ein<lb/> Bündel, wie meine ſelige Mutter geſagt haben würde,<lb/> ſolch ein vom Regen gewaſchenes, von der Sonne<lb/> getrocknetes, vom Winde zerzauſtes, hülfloſes, mutter-<lb/> loſes, ſich ſelber die Kleider flickendes, ſich nach dem<lb/> Modejournal der rothen Schanze ſelber zuſammen<lb/> koſtümirendes Bündel! und mit dieſem <hi rendition="#aq">Haut-gout</hi><lb/> von Blut, Moder und ungeſühntem Todtſchlag, dieſem<lb/> Kienbaums-Geruch an ſich! Weißt Du, was ſie,<lb/> Frau Schaumann ſagte, als ſie mir unten im Graſe<lb/> von oben aus den Zweigen des Birnbaums ihre<lb/> Birnen zuwarf? Sie meinte: ‚Er iſt jetzt im Hauſe,<lb/> mein Vater, und wenn er Dich nicht ſieht, iſt es mir<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [114/0124]
„Entſchuldige, daß ich Dich unterbrochen habe.
Erzähle weiter, Stopfkuchen.“
„Nicht wahr, für den Schwiegerſohn von Kien-
baums Mörder erzähle ich hübſch gemüthlich? Ja, ja,
es war im vollſten Sinne des Wortes eine Mord-
wirthſchaft, in welcher ich mich zum einzigen Haus-
und Familienfreunde auswuchs! Die Verſicherung
kann ich Dir geben, Freund, daß nur ſehr ſelten ein
Schwiegervater ſich ſeinen Schwiegerſohn in ſo kurioſer
Weiſe groß und allgemach ans Herz gezogen hat wie
Vater Quakatz mich, ſeinen dicken, braven Heinrich.
Und dann der Heckenſpatz, dem ich im Getümmel des
Kampfes Salz auf den Schwanz geſtreut hatte, oder
vielmehr der Schmetterling, auf den ich mit blutender
Naſe und blauem Buckel die Schülermütze gedeckt
hatte. Ja, ja, ſo einen ſaubern fängt ſich nicht jeder
ein, der auf dieſe Jagd ausgeht! Herrjeh, wie das
Frauenzimmer in jenen Tagen ausſah! ſolch ein
Bündel, wie meine ſelige Mutter geſagt haben würde,
ſolch ein vom Regen gewaſchenes, von der Sonne
getrocknetes, vom Winde zerzauſtes, hülfloſes, mutter-
loſes, ſich ſelber die Kleider flickendes, ſich nach dem
Modejournal der rothen Schanze ſelber zuſammen
koſtümirendes Bündel! und mit dieſem Haut-gout
von Blut, Moder und ungeſühntem Todtſchlag, dieſem
Kienbaums-Geruch an ſich! Weißt Du, was ſie,
Frau Schaumann ſagte, als ſie mir unten im Graſe
von oben aus den Zweigen des Birnbaums ihre
Birnen zuwarf? Sie meinte: ‚Er iſt jetzt im Hauſe,
mein Vater, und wenn er Dich nicht ſieht, iſt es mir
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