Äquator hatte er die schönen Reste davon eben ent- behrlich gefunden.
Wie als wenn eben vom Hause her auch der Ruf: "Feuer! Feuer auf der rothen Schanze!" er- schollen wäre, war ich aufgesprungen und stand Frau Valentine aufrecht am Tische und hatte ihr Strick- zeug weit von sich geschleudert.
"Ist es die Möglichkeit?" stammelte ich. "Frau Valentine --"
Die Frau stand nur bleich und wortlos und starrte aus weit offenen Augen auf ihren Mann.
"Es ist die Möglichkeit gewesen," sagte dieser. "Es ist eine altbekannte Sache, auch der Dummste kann einen Zweck erreichen, wenn er nur seinen Dickkopf fest dran und draufsetzt. Ja, Kinder, ich weiß es heute, wer Kienbaum todtgeschlagen hat."
"Aber Deine Frau! So sieh doch nur Deine Frau an! Mensch, Mensch, hat denn Deine Frau ebenfalls bis heute, wie alle andern --"
"Meine Frau erfährt von meinem Wissen in diesem Augenblick gleichfalls das erste Wort. Das kannst Du ihr doch ansehen, Eduard. Aber so setze Dich doch wieder, Tinchen! Liebes Herz, Alte, liebe, gute Alte, bleib doch ruhig. Erinnere Dich, was wir ausgemacht haben. Erst wenn mir die Pfeife über einer Sache ausgeht, kommt an Dich die Reihe Jodute! zu rufen, mit den Beinen zu strampeln, die Arme aufzuwerfen und der Welt mit Thränen oder Grobheiten aufzuwarten. Kinder, thut mir den Ge- fallen und sitzt still!"
Äquator hatte er die ſchönen Reſte davon eben ent- behrlich gefunden.
Wie als wenn eben vom Hauſe her auch der Ruf: „Feuer! Feuer auf der rothen Schanze!“ er- ſchollen wäre, war ich aufgeſprungen und ſtand Frau Valentine aufrecht am Tiſche und hatte ihr Strick- zeug weit von ſich geſchleudert.
„Iſt es die Möglichkeit?“ ſtammelte ich. „Frau Valentine —“
Die Frau ſtand nur bleich und wortlos und ſtarrte aus weit offenen Augen auf ihren Mann.
„Es iſt die Möglichkeit geweſen,“ ſagte dieſer. „Es iſt eine altbekannte Sache, auch der Dummſte kann einen Zweck erreichen, wenn er nur ſeinen Dickkopf feſt dran und draufſetzt. Ja, Kinder, ich weiß es heute, wer Kienbaum todtgeſchlagen hat.“
„Aber Deine Frau! So ſieh doch nur Deine Frau an! Menſch, Menſch, hat denn Deine Frau ebenfalls bis heute, wie alle andern —“
„Meine Frau erfährt von meinem Wiſſen in dieſem Augenblick gleichfalls das erſte Wort. Das kannſt Du ihr doch anſehen, Eduard. Aber ſo ſetze Dich doch wieder, Tinchen! Liebes Herz, Alte, liebe, gute Alte, bleib doch ruhig. Erinnere Dich, was wir ausgemacht haben. Erſt wenn mir die Pfeife über einer Sache ausgeht, kommt an Dich die Reihe Jodute! zu rufen, mit den Beinen zu ſtrampeln, die Arme aufzuwerfen und der Welt mit Thränen oder Grobheiten aufzuwarten. Kinder, thut mir den Ge- fallen und ſitzt ſtill!“
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Äquator hatte er die ſchönen Reſte davon eben ent-
behrlich gefunden.
Wie als wenn eben vom Hauſe her auch der
Ruf: „Feuer! Feuer auf der rothen Schanze!“ er-
ſchollen wäre, war ich aufgeſprungen und ſtand Frau
Valentine aufrecht am Tiſche und hatte ihr Strick-
zeug weit von ſich geſchleudert.
„Iſt es die Möglichkeit?“ ſtammelte ich. „Frau
Valentine —“
Die Frau ſtand nur bleich und wortlos und
ſtarrte aus weit offenen Augen auf ihren Mann.
„Es iſt die Möglichkeit geweſen,“ ſagte dieſer.
„Es iſt eine altbekannte Sache, auch der Dummſte
kann einen Zweck erreichen, wenn er nur ſeinen
Dickkopf feſt dran und draufſetzt. Ja, Kinder, ich
weiß es heute, wer Kienbaum todtgeſchlagen hat.“
„Aber Deine Frau! So ſieh doch nur Deine
Frau an! Menſch, Menſch, hat denn Deine Frau
ebenfalls bis heute, wie alle andern —“
„Meine Frau erfährt von meinem Wiſſen in
dieſem Augenblick gleichfalls das erſte Wort. Das
kannſt Du ihr doch anſehen, Eduard. Aber ſo ſetze
Dich doch wieder, Tinchen! Liebes Herz, Alte, liebe,
gute Alte, bleib doch ruhig. Erinnere Dich, was wir
ausgemacht haben. Erſt wenn mir die Pfeife über
einer Sache ausgeht, kommt an Dich die Reihe
Jodute! zu rufen, mit den Beinen zu ſtrampeln, die
Arme aufzuwerfen und der Welt mit Thränen oder
Grobheiten aufzuwarten. Kinder, thut mir den Ge-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/133>, abgerufen am 16.02.2025.
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