Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.Wie es mit seiner Tabakspfeifenverabredung be- "Heinrich!" murmelte angstvoll, flehend die Frau. Der Mensch sprach wahrhaftig vom Abendessen "Herze, schenk mir noch eine Tasse Kaffee ein Wie es mit ſeiner Tabakspfeifenverabredung be- „Heinrich!“ murmelte angſtvoll, flehend die Frau. Der Menſch ſprach wahrhaftig vom Abendeſſen „Herze, ſchenk mir noch eine Taſſe Kaffee ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0134" n="124"/> <p>Wie es mit ſeiner Tabakspfeifenverabredung be-<lb/> ſchaffen ſein mochte: dem Ausgehen war ſeine Pfeife<lb/> eben doch nahe. Aber er brachte ſie durch einiges<lb/> Saugen daran richtig wieder zu hellem Brande,<lb/> blies eine blaue Wolke in die liebe Sommerluft,<lb/> und — ja, kurz, war eben nicht ohne Grund von<lb/> uns Stopfkuchen genannt worden! Da ſein Weib<lb/> ſich wirklich wieder hinſetzte, blieb mir nichts Anderes<lb/> übrig, als dasſelbe zu thun.</p><lb/> <p>„Heinrich!“ murmelte angſtvoll, flehend die Frau.<lb/> Ich brummte unwillkürlich: „So gehe doch heraus aus<lb/> dem Kaſten, Ungeheuer!“ aber Stopfkuchen ſagte, ſtoß-<lb/> weiſe, immer noch an ſeinem Weichſelrohr ſaugend,<lb/> „Aber — Kinder — ſo — laßt mich doch — die<lb/> Geſchichte von der völligen Eroberung von Quakatzen-<lb/> burg in Ruhe erzählen, wenn ihr ſie wiſſen wollt.<lb/> Unterbrecht mich doch nicht immer! Dieſe ewige<lb/> Aufgeregtheit in der jedesmaligen, eben vorhandenen<lb/> Menſchheit, bis ſie ſich hinlegt und todt iſt! Fallt<lb/> mir doch nicht bei jedem dritten Worte ins Wort,<lb/> wenn wir bis zum Abendeſſen mit der Sache fertig<lb/> ſein ſollen.“</p><lb/> <p>Der Menſch ſprach wahrhaftig vom Abendeſſen<lb/> wie von der Hauptſache bei der Sache. Es blieb<lb/> nichts übrig als ihn faulthierhaft in ſeinen Baum hinauf-<lb/> ſteigen zu laſſen; aber ſelbſt für jemand, der auf<lb/> allerlei Kreuz- und Querzügen rund um den Erdball<lb/> auch das Seinige ruhig erlebt zu haben glaubte,<lb/> wurde dieſe Kaltblütigkeit allgemach zu unheimlich.</p><lb/> <p>„Herze, ſchenk mir noch eine Taſſe Kaffee ein<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [124/0134]
Wie es mit ſeiner Tabakspfeifenverabredung be-
ſchaffen ſein mochte: dem Ausgehen war ſeine Pfeife
eben doch nahe. Aber er brachte ſie durch einiges
Saugen daran richtig wieder zu hellem Brande,
blies eine blaue Wolke in die liebe Sommerluft,
und — ja, kurz, war eben nicht ohne Grund von
uns Stopfkuchen genannt worden! Da ſein Weib
ſich wirklich wieder hinſetzte, blieb mir nichts Anderes
übrig, als dasſelbe zu thun.
„Heinrich!“ murmelte angſtvoll, flehend die Frau.
Ich brummte unwillkürlich: „So gehe doch heraus aus
dem Kaſten, Ungeheuer!“ aber Stopfkuchen ſagte, ſtoß-
weiſe, immer noch an ſeinem Weichſelrohr ſaugend,
„Aber — Kinder — ſo — laßt mich doch — die
Geſchichte von der völligen Eroberung von Quakatzen-
burg in Ruhe erzählen, wenn ihr ſie wiſſen wollt.
Unterbrecht mich doch nicht immer! Dieſe ewige
Aufgeregtheit in der jedesmaligen, eben vorhandenen
Menſchheit, bis ſie ſich hinlegt und todt iſt! Fallt
mir doch nicht bei jedem dritten Worte ins Wort,
wenn wir bis zum Abendeſſen mit der Sache fertig
ſein ſollen.“
Der Menſch ſprach wahrhaftig vom Abendeſſen
wie von der Hauptſache bei der Sache. Es blieb
nichts übrig als ihn faulthierhaft in ſeinen Baum hinauf-
ſteigen zu laſſen; aber ſelbſt für jemand, der auf
allerlei Kreuz- und Querzügen rund um den Erdball
auch das Seinige ruhig erlebt zu haben glaubte,
wurde dieſe Kaltblütigkeit allgemach zu unheimlich.
„Herze, ſchenk mir noch eine Taſſe Kaffee ein
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