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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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und gib Eduard auch eine. Du regst Dich doch
nicht auf, Kind? Welch' ein wundervoller Tag hier
in der Kühle mit der heißen Welt da draußen! So
-- noch ein Stück Zucker."

Das arme Weib kam dem Wunsche nach; aber
wie eine Traumwandlerin, wie eine Hypnotisirte.
Auf den Topf und die Tassen blickte sie nicht; --
nur immerfort auf den Mann, und zwar wie auf
einen, von dem man nicht weiß, ob man ihn ferner
liebbehalten, oder sich vor ihm zu Tode fürchten soll.

"Ich bitte Dich, Heinrich --"

"Thue das nicht. Du weißt doch, Kind, daß
Du das nicht nöthig hast! Kenne ich nicht alle Deine
Wünsche im voraus? Ich sage Dir, Eduard, nicht
einmal an den Augen brauche ich sie ihr abzusehen,
wie andere, gewöhnlichere gute Ehemänner. Du er-
fährst alles, Tinchen. Es thut ja nun Niemand
mehr Schaden und hilft keinem zu Schadenfreude,
den alten verjährten, muffigen Schrecken mit der
Zange anzufassen, ans Licht zu ziehen und in der
Sonne vorsichtig mit der Fußspitze umzuwenden.
Übrigens steht es bei euch: soll ich fortfahren, wie
ich angefangen habe, oder wünscht ihr einen kurzen
Aufschluß in drei Worten?"

"Fahre fort, Menschenkind!" mußte ich nun doch
rufen, und die Frau sagte, mehr denn je wie im
Banne gehend: "Ich kann nichts dagegen machen; es
wird ja auch wohl das Beste sein, wie Du es verstehst."

"Dann bleiben wir noch ein Weilchen in der
Idylle und lassen Kienbaum Kienbaum sein, so

und gib Eduard auch eine. Du regſt Dich doch
nicht auf, Kind? Welch' ein wundervoller Tag hier
in der Kühle mit der heißen Welt da draußen! So
— noch ein Stück Zucker.“

Das arme Weib kam dem Wunſche nach; aber
wie eine Traumwandlerin, wie eine Hypnotiſirte.
Auf den Topf und die Taſſen blickte ſie nicht; —
nur immerfort auf den Mann, und zwar wie auf
einen, von dem man nicht weiß, ob man ihn ferner
liebbehalten, oder ſich vor ihm zu Tode fürchten ſoll.

„Ich bitte Dich, Heinrich —“

„Thue das nicht. Du weißt doch, Kind, daß
Du das nicht nöthig haſt! Kenne ich nicht alle Deine
Wünſche im voraus? Ich ſage Dir, Eduard, nicht
einmal an den Augen brauche ich ſie ihr abzuſehen,
wie andere, gewöhnlichere gute Ehemänner. Du er-
fährſt alles, Tinchen. Es thut ja nun Niemand
mehr Schaden und hilft keinem zu Schadenfreude,
den alten verjährten, muffigen Schrecken mit der
Zange anzufaſſen, ans Licht zu ziehen und in der
Sonne vorſichtig mit der Fußſpitze umzuwenden.
Übrigens ſteht es bei euch: ſoll ich fortfahren, wie
ich angefangen habe, oder wünſcht ihr einen kurzen
Aufſchluß in drei Worten?“

„Fahre fort, Menſchenkind!“ mußte ich nun doch
rufen, und die Frau ſagte, mehr denn je wie im
Banne gehend: „Ich kann nichts dagegen machen; es
wird ja auch wohl das Beſte ſein, wie Du es verſtehſt.“

„Dann bleiben wir noch ein Weilchen in der
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[125/0135] und gib Eduard auch eine. Du regſt Dich doch nicht auf, Kind? Welch' ein wundervoller Tag hier in der Kühle mit der heißen Welt da draußen! So — noch ein Stück Zucker.“ Das arme Weib kam dem Wunſche nach; aber wie eine Traumwandlerin, wie eine Hypnotiſirte. Auf den Topf und die Taſſen blickte ſie nicht; — nur immerfort auf den Mann, und zwar wie auf einen, von dem man nicht weiß, ob man ihn ferner liebbehalten, oder ſich vor ihm zu Tode fürchten ſoll. „Ich bitte Dich, Heinrich —“ „Thue das nicht. Du weißt doch, Kind, daß Du das nicht nöthig haſt! Kenne ich nicht alle Deine Wünſche im voraus? Ich ſage Dir, Eduard, nicht einmal an den Augen brauche ich ſie ihr abzuſehen, wie andere, gewöhnlichere gute Ehemänner. Du er- fährſt alles, Tinchen. Es thut ja nun Niemand mehr Schaden und hilft keinem zu Schadenfreude, den alten verjährten, muffigen Schrecken mit der Zange anzufaſſen, ans Licht zu ziehen und in der Sonne vorſichtig mit der Fußſpitze umzuwenden. Übrigens ſteht es bei euch: ſoll ich fortfahren, wie ich angefangen habe, oder wünſcht ihr einen kurzen Aufſchluß in drei Worten?“ „Fahre fort, Menſchenkind!“ mußte ich nun doch rufen, und die Frau ſagte, mehr denn je wie im Banne gehend: „Ich kann nichts dagegen machen; es wird ja auch wohl das Beſte ſein, wie Du es verſtehſt.“ „Dann bleiben wir noch ein Weilchen in der Idylle und laſſen Kienbaum Kienbaum ſein, ſo

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/135>, abgerufen am 24.11.2024.