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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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Eduard, so gut sein will, mit unsern kleinen Erleb-
nissen hier in der Einsamkeit heute vorlieb zu nehmen."

"Einsamkeit?!" grinste Stopfkuchen. "Na ja, Dem
da wird es in seiner afrikanischen Wüste freilich wohl
manchmal zu lebendig um ihn her. Wenn ich mir
wo eine ewige Sabbathstille hindenke, so ist's grade
die Gegend, die er sich ausgesucht hat, unser lieber
Freund -- Herr -- Eduard."

Ich bezwang mich und schlug den Dicken mit
seinem lächelnden Verständniß für mein Dasein und
meine exotischen Errungenschaften nicht hinter die
Ohren, ich nahm die Hand seiner Frau und sagte:
"Lassen Sie alles, liebe Freundin, liebe Frau Valen-
tine und erzählen Sie mir für meine Einsamkeit von
sich und dem Vater und der rothen Schanze."

"Ja von uns dreien alleine weiß ich auch nur
was. Ich bin niemals auf einer Insel im Meere
gewesen, aber wie ich mir das vorstelle, so waren
wir drei zusammen wie eine Insel im Meere."

"Aber ein sauberer Brei, dickflüssig, graugelb, mit
grünen Schimmelflecken qualmte statt der blauen,
karaibischen See drumherum und roch nach Pech,
Schwefel und noch viel Schlimmern!" brummte der
Unverbesserliche.

"Können Sie sich, Herr Eduard, wenn Sie sich
als ein gehetztes Thier und alleingelassenes Kind in
der Welt finden, einen bessern Aufenthaltsort für
sich denken, als wie diese unsere alte vergessene
Kriegesburg?"

"Ganz gewiß nicht, Frau Valentine."

Eduard, ſo gut ſein will, mit unſern kleinen Erleb-
niſſen hier in der Einſamkeit heute vorlieb zu nehmen.“

„Einſamkeit?!“ grinſte Stopfkuchen. „Na ja, Dem
da wird es in ſeiner afrikaniſchen Wüſte freilich wohl
manchmal zu lebendig um ihn her. Wenn ich mir
wo eine ewige Sabbathſtille hindenke, ſo iſt's grade
die Gegend, die er ſich ausgeſucht hat, unſer lieber
Freund — Herr — Eduard.“

Ich bezwang mich und ſchlug den Dicken mit
ſeinem lächelnden Verſtändniß für mein Daſein und
meine exotiſchen Errungenſchaften nicht hinter die
Ohren, ich nahm die Hand ſeiner Frau und ſagte:
„Laſſen Sie alles, liebe Freundin, liebe Frau Valen-
tine und erzählen Sie mir für meine Einſamkeit von
ſich und dem Vater und der rothen Schanze.“

„Ja von uns dreien alleine weiß ich auch nur
was. Ich bin niemals auf einer Inſel im Meere
geweſen, aber wie ich mir das vorſtelle, ſo waren
wir drei zuſammen wie eine Inſel im Meere.“

„Aber ein ſauberer Brei, dickflüſſig, graugelb, mit
grünen Schimmelflecken qualmte ſtatt der blauen,
karaibiſchen See drumherum und roch nach Pech,
Schwefel und noch viel Schlimmern!“ brummte der
Unverbeſſerliche.

„Können Sie ſich, Herr Eduard, wenn Sie ſich
als ein gehetztes Thier und alleingelaſſenes Kind in
der Welt finden, einen beſſern Aufenthaltsort für
ſich denken, als wie dieſe unſere alte vergeſſene
Kriegesburg?“

„Ganz gewiß nicht, Frau Valentine.“

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[138/0148] Eduard, ſo gut ſein will, mit unſern kleinen Erleb- niſſen hier in der Einſamkeit heute vorlieb zu nehmen.“ „Einſamkeit?!“ grinſte Stopfkuchen. „Na ja, Dem da wird es in ſeiner afrikaniſchen Wüſte freilich wohl manchmal zu lebendig um ihn her. Wenn ich mir wo eine ewige Sabbathſtille hindenke, ſo iſt's grade die Gegend, die er ſich ausgeſucht hat, unſer lieber Freund — Herr — Eduard.“ Ich bezwang mich und ſchlug den Dicken mit ſeinem lächelnden Verſtändniß für mein Daſein und meine exotiſchen Errungenſchaften nicht hinter die Ohren, ich nahm die Hand ſeiner Frau und ſagte: „Laſſen Sie alles, liebe Freundin, liebe Frau Valen- tine und erzählen Sie mir für meine Einſamkeit von ſich und dem Vater und der rothen Schanze.“ „Ja von uns dreien alleine weiß ich auch nur was. Ich bin niemals auf einer Inſel im Meere geweſen, aber wie ich mir das vorſtelle, ſo waren wir drei zuſammen wie eine Inſel im Meere.“ „Aber ein ſauberer Brei, dickflüſſig, graugelb, mit grünen Schimmelflecken qualmte ſtatt der blauen, karaibiſchen See drumherum und roch nach Pech, Schwefel und noch viel Schlimmern!“ brummte der Unverbeſſerliche. „Können Sie ſich, Herr Eduard, wenn Sie ſich als ein gehetztes Thier und alleingelaſſenes Kind in der Welt finden, einen beſſern Aufenthaltsort für ſich denken, als wie dieſe unſere alte vergeſſene Kriegesburg?“ „Ganz gewiß nicht, Frau Valentine.“

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/148>, abgerufen am 24.11.2024.