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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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kuchen sah mich nur erwartend, grinsend an und half
mir nicht ein. Wenn ich ihm in unsern Schultagen
"einhelfen" sollte, dann grinste er nicht; dann sah er
anders aus als wie heute.

"Na, Eduard?" Das war das einzige, auf was
er sich heute einließ.

",Friß es aus und friß Dich durch!' lautete
seine damalige Redensart," sagte Frau Valentine
und ließ es in Ton und Ausdruck zweifelhaft, ob
sie heute noch völlig ihre Billigung habe. Doch jetzt
ergriff Schaumann genannt Stopfkuchen wieder das
Wort und seufzte zwar weich und elegisch, aber voll
Behagen:

"Und meinetwegen könnt ihr sie mir auch mal
in Goldschrift auf meinen Grabstein setzen lassen.
Natürlich ohne irgendwem die Möglichkeit zu nehmen,
eine noch bessere zu finden."

"O Gott," seufzte seine Frau, "damals setzte er
gewöhnlich noch hinzu: ,Es gibt keine andere um
durch's Leben zu kommen, Tinchen!'"

"Meinst Du nicht auch, daß alle anderen mehr
oder weniger auf Schwindel beruhen, Eduard? Oder
hast Du in dieser Beziehung wirklich einige neue
Erfahrungen vom alten nobeln Onkel Ketschwayo
mitgebracht? Na, mal 'raus damit: was habt ihr
dem Manne auf sein Heldengrab gesetzt, nachdem
der brave Kaffer sein stolzes Königsleben aus und
sich durch Euch Englishmen, Dutchmen und Deutsche
Burengesellschaft durchgefressen hatte? Aber ent-
schuldige, Schatz, ich meine Dich, Madame Stopf-

kuchen ſah mich nur erwartend, grinſend an und half
mir nicht ein. Wenn ich ihm in unſern Schultagen
„einhelfen“ ſollte, dann grinſte er nicht; dann ſah er
anders aus als wie heute.

„Na, Eduard?“ Das war das einzige, auf was
er ſich heute einließ.

„‚Friß es aus und friß Dich durch!‘ lautete
ſeine damalige Redensart,“ ſagte Frau Valentine
und ließ es in Ton und Ausdruck zweifelhaft, ob
ſie heute noch völlig ihre Billigung habe. Doch jetzt
ergriff Schaumann genannt Stopfkuchen wieder das
Wort und ſeufzte zwar weich und elegiſch, aber voll
Behagen:

„Und meinetwegen könnt ihr ſie mir auch mal
in Goldſchrift auf meinen Grabſtein ſetzen laſſen.
Natürlich ohne irgendwem die Möglichkeit zu nehmen,
eine noch beſſere zu finden.“

„O Gott,“ ſeufzte ſeine Frau, „damals ſetzte er
gewöhnlich noch hinzu: ‚Es gibt keine andere um
durch's Leben zu kommen, Tinchen!‘“

„Meinſt Du nicht auch, daß alle anderen mehr
oder weniger auf Schwindel beruhen, Eduard? Oder
haſt Du in dieſer Beziehung wirklich einige neue
Erfahrungen vom alten nobeln Onkel Ketſchwayo
mitgebracht? Na, mal 'raus damit: was habt ihr
dem Manne auf ſein Heldengrab geſetzt, nachdem
der brave Kaffer ſein ſtolzes Königsleben aus und
ſich durch Euch Engliſhmen, Dutchmen und Deutſche
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[152/0162] kuchen ſah mich nur erwartend, grinſend an und half mir nicht ein. Wenn ich ihm in unſern Schultagen „einhelfen“ ſollte, dann grinſte er nicht; dann ſah er anders aus als wie heute. „Na, Eduard?“ Das war das einzige, auf was er ſich heute einließ. „‚Friß es aus und friß Dich durch!‘ lautete ſeine damalige Redensart,“ ſagte Frau Valentine und ließ es in Ton und Ausdruck zweifelhaft, ob ſie heute noch völlig ihre Billigung habe. Doch jetzt ergriff Schaumann genannt Stopfkuchen wieder das Wort und ſeufzte zwar weich und elegiſch, aber voll Behagen: „Und meinetwegen könnt ihr ſie mir auch mal in Goldſchrift auf meinen Grabſtein ſetzen laſſen. Natürlich ohne irgendwem die Möglichkeit zu nehmen, eine noch beſſere zu finden.“ „O Gott,“ ſeufzte ſeine Frau, „damals ſetzte er gewöhnlich noch hinzu: ‚Es gibt keine andere um durch's Leben zu kommen, Tinchen!‘“ „Meinſt Du nicht auch, daß alle anderen mehr oder weniger auf Schwindel beruhen, Eduard? Oder haſt Du in dieſer Beziehung wirklich einige neue Erfahrungen vom alten nobeln Onkel Ketſchwayo mitgebracht? Na, mal 'raus damit: was habt ihr dem Manne auf ſein Heldengrab geſetzt, nachdem der brave Kaffer ſein ſtolzes Königsleben aus und ſich durch Euch Engliſhmen, Dutchmen und Deutſche Burengeſellſchaft durchgefreſſen hatte? Aber ent- ſchuldige, Schatz, ich meine Dich, Madame Stopf-

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/162>, abgerufen am 27.11.2024.