im wehenden Sturm und treibenden Schnee und konnte dreist von Neuem die bittere Frage an das ewige Dunkel und die gegenwärtige Finsterniß stellen: Wer hatte eigentlich das Recht Dich so als geistigen und körperlichen Kretin so hier hin zu stellen: So! --?" -- Glücklicherweise war im Goldenen Arm Licht, und da ich doch in der Straße nicht stehen bleiben konnte, ging ich hinüber und fand die Gesellschaft, die mir augenblicklich allein gemäß war, und mit ihr die Lösung der eben aufgeworfenen Frage. Es war gottlob noch so früh am Tage, daß selbst die trost- losesten Philister der Stadt noch nicht zu Bette waren. Da fand ich und nahm ich meinen Trost, wo mir aller Welt Schönheit, Weisheit und Tugend zu garnichts von Nutzen gewesen sein würde. Juchhe, lauter gute alte Bekannte, die sich zwischen Schoppen und Schoppen immer das Beste wünschten, und mir natürlich auch -- an diesem Abend sogar in aus- gibigster Fülle! Ich kam ihnen gerade zur rechten Zeit bei sinkender Unterhaltung und epidemischer Maulfäule wahrhaftig als ein gefundenes Fressen; und ich hatte bloß hinzuhorchen, um von ihnen die Antwort auf jenes große fragende Warum hinzu- nehmen. Es hätte mir jedermann im Kreise gern auch einen Bleistift geliehen, wenn ich den Wunsch ausgesprochen haben würde, mir den Schicksalsspruch ihres Mundes lieber doch auch noch zu notiren. Dies war aber durchaus nicht nöthig. Gottlob haben es mir die Götter, die mir so Vieles versagte ge- geben, mich betreffende Reden und Redensarten an
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im wehenden Sturm und treibenden Schnee und konnte dreiſt von Neuem die bittere Frage an das ewige Dunkel und die gegenwärtige Finſterniß ſtellen: Wer hatte eigentlich das Recht Dich ſo als geiſtigen und körperlichen Kretin ſo hier hin zu ſtellen: So! —?“ — Glücklicherweiſe war im Goldenen Arm Licht, und da ich doch in der Straße nicht ſtehen bleiben konnte, ging ich hinüber und fand die Geſellſchaft, die mir augenblicklich allein gemäß war, und mit ihr die Löſung der eben aufgeworfenen Frage. Es war gottlob noch ſo früh am Tage, daß ſelbſt die troſt- loſeſten Philiſter der Stadt noch nicht zu Bette waren. Da fand ich und nahm ich meinen Troſt, wo mir aller Welt Schönheit, Weisheit und Tugend zu garnichts von Nutzen geweſen ſein würde. Juchhe, lauter gute alte Bekannte, die ſich zwiſchen Schoppen und Schoppen immer das Beſte wünſchten, und mir natürlich auch — an dieſem Abend ſogar in aus- gibigſter Fülle! Ich kam ihnen gerade zur rechten Zeit bei ſinkender Unterhaltung und epidemiſcher Maulfäule wahrhaftig als ein gefundenes Freſſen; und ich hatte bloß hinzuhorchen, um von ihnen die Antwort auf jenes große fragende Warum hinzu- nehmen. Es hätte mir jedermann im Kreiſe gern auch einen Bleiſtift geliehen, wenn ich den Wunſch ausgeſprochen haben würde, mir den Schickſalsſpruch ihres Mundes lieber doch auch noch zu notiren. Dies war aber durchaus nicht nöthig. Gottlob haben es mir die Götter, die mir ſo Vieles verſagte ge- geben, mich betreffende Reden und Redensarten an
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im wehenden Sturm und treibenden Schnee und
konnte dreiſt von Neuem die bittere Frage an das
ewige Dunkel und die gegenwärtige Finſterniß ſtellen:
Wer hatte eigentlich das Recht Dich ſo als geiſtigen und
körperlichen Kretin ſo hier hin zu ſtellen: So! —?“ —
Glücklicherweiſe war im Goldenen Arm Licht, und da
ich doch in der Straße nicht ſtehen bleiben konnte,
ging ich hinüber und fand die Geſellſchaft, die mir
augenblicklich allein gemäß war, und mit ihr die
Löſung der eben aufgeworfenen Frage. Es war
gottlob noch ſo früh am Tage, daß ſelbſt die troſt-
loſeſten Philiſter der Stadt noch nicht zu Bette waren.
Da fand ich und nahm ich meinen Troſt, wo mir
aller Welt Schönheit, Weisheit und Tugend zu
garnichts von Nutzen geweſen ſein würde. Juchhe,
lauter gute alte Bekannte, die ſich zwiſchen Schoppen
und Schoppen immer das Beſte wünſchten, und mir
natürlich auch — an dieſem Abend ſogar in aus-
gibigſter Fülle! Ich kam ihnen gerade zur rechten
Zeit bei ſinkender Unterhaltung und epidemiſcher
Maulfäule wahrhaftig als ein gefundenes Freſſen;
und ich hatte bloß hinzuhorchen, um von ihnen die
Antwort auf jenes große fragende Warum hinzu-
nehmen. Es hätte mir jedermann im Kreiſe gern
auch einen Bleiſtift geliehen, wenn ich den Wunſch
ausgeſprochen haben würde, mir den Schickſalsſpruch
ihres Mundes lieber doch auch noch zu notiren.
Dies war aber durchaus nicht nöthig. Gottlob haben
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/189>, abgerufen am 23.11.2024.
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