mich herankommen zu lassen, das dazu passende Ge- sicht dabei zu machen und nöthigenfalls mit den darauf passenden Gegenbemerkungen aufzuwarten. Ihr habt diese Gabe lange nicht genug an mir gewürdigt, lieber Eduard; ihr waret wohl noch nicht reif genug dafür. Nun, für ein paar Schoppen reichte es an jenem historischen Abend auch noch, und bei denen vernahm ich denn das Meinige, überlegte mir das Meinige und fand das Richtige. Selbstverständlich kam sofort bei meinem Eintritt in das alte wohl- bekannte Eckzimmer die Rede auf mich. Man war so freundlich, sich zu freuen, mich noch zu sehen: je später der Abend, desto schöner die Leute! Aber daß man bereits ziemlich genau wußte, wie es mit mir daheim im Vaterhause stehe, war klar und quoll rundum auf in jedem lautern Wort und leisen Ge- flüster. Wenn sie auch um alles in der Welt nicht gern in meiner Haut gesteckt hätten, so hätten sie doch allesammt unmenschlich gern gewußt wie ich mich bei so bewandter Lebenslage in ihr fühle. Mit dem Humor der Verzweiflung, wie ja wohl das Wort lautet, schenkte ich ihnen denn reinsten Wein ein, nahm diesen Herren vom Spieß, diese, ihre edle Väterwaffe ab und ließ sie kneipengerecht darauf- laufen. Was hätte ich an diesem in der That recht ungemüthlichen Abend vor dem Sturz in den Abgrund Besseres beginnen können, um -- deutsches Gemüth zu zeigen? Daß ich von Universitäten endgültig weg- gegangen sei, gab ich zu; aber die genauen Umstände stellte ich nunmehr in das rechte Licht. Daß von
mich herankommen zu laſſen, das dazu paſſende Ge- ſicht dabei zu machen und nöthigenfalls mit den darauf paſſenden Gegenbemerkungen aufzuwarten. Ihr habt dieſe Gabe lange nicht genug an mir gewürdigt, lieber Eduard; ihr waret wohl noch nicht reif genug dafür. Nun, für ein paar Schoppen reichte es an jenem hiſtoriſchen Abend auch noch, und bei denen vernahm ich denn das Meinige, überlegte mir das Meinige und fand das Richtige. Selbſtverſtändlich kam ſofort bei meinem Eintritt in das alte wohl- bekannte Eckzimmer die Rede auf mich. Man war ſo freundlich, ſich zu freuen, mich noch zu ſehen: je ſpäter der Abend, deſto ſchöner die Leute! Aber daß man bereits ziemlich genau wußte, wie es mit mir daheim im Vaterhauſe ſtehe, war klar und quoll rundum auf in jedem lautern Wort und leiſen Ge- flüſter. Wenn ſie auch um alles in der Welt nicht gern in meiner Haut geſteckt hätten, ſo hätten ſie doch alleſammt unmenſchlich gern gewußt wie ich mich bei ſo bewandter Lebenslage in ihr fühle. Mit dem Humor der Verzweiflung, wie ja wohl das Wort lautet, ſchenkte ich ihnen denn reinſten Wein ein, nahm dieſen Herren vom Spieß, dieſe, ihre edle Väterwaffe ab und ließ ſie kneipengerecht darauf- laufen. Was hätte ich an dieſem in der That recht ungemüthlichen Abend vor dem Sturz in den Abgrund Beſſeres beginnen können, um — deutſches Gemüth zu zeigen? Daß ich von Univerſitäten endgültig weg- gegangen ſei, gab ich zu; aber die genauen Umſtände ſtellte ich nunmehr in das rechte Licht. Daß von
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mich herankommen zu laſſen, das dazu paſſende Ge-
ſicht dabei zu machen und nöthigenfalls mit den darauf
paſſenden Gegenbemerkungen aufzuwarten. Ihr habt
dieſe Gabe lange nicht genug an mir gewürdigt,
lieber Eduard; ihr waret wohl noch nicht reif genug
dafür. Nun, für ein paar Schoppen reichte es an
jenem hiſtoriſchen Abend auch noch, und bei denen
vernahm ich denn das Meinige, überlegte mir das
Meinige und fand das Richtige. Selbſtverſtändlich
kam ſofort bei meinem Eintritt in das alte wohl-
bekannte Eckzimmer die Rede auf mich. Man war
ſo freundlich, ſich zu freuen, mich noch zu ſehen: je
ſpäter der Abend, deſto ſchöner die Leute! Aber daß
man bereits ziemlich genau wußte, wie es mit mir
daheim im Vaterhauſe ſtehe, war klar und quoll
rundum auf in jedem lautern Wort und leiſen Ge-
flüſter. Wenn ſie auch um alles in der Welt nicht
gern in meiner Haut geſteckt hätten, ſo hätten ſie
doch alleſammt unmenſchlich gern gewußt wie ich mich
bei ſo bewandter Lebenslage in ihr fühle. Mit dem
Humor der Verzweiflung, wie ja wohl das Wort
lautet, ſchenkte ich ihnen denn reinſten Wein ein,
nahm dieſen Herren vom Spieß, dieſe, ihre edle
Väterwaffe ab und ließ ſie kneipengerecht darauf-
laufen. Was hätte ich an dieſem in der That recht
ungemüthlichen Abend vor dem Sturz in den Abgrund
Beſſeres beginnen können, um — deutſches Gemüth zu
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Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/190>, abgerufen am 27.11.2024.
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