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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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"Eduard? . . Nun bitte ich Dich aber dringend,
Eduard, daß Du Dich auch fernerhin als bloßen
Chorus in der Tragödie betrachtest. Fahre Du dreist
morgen wieder ab nach Deinem Kaffernlande und
singe mir da meinetwegen soviele Begleitstrophen und
Begleitgegenstrophen zu der Geschichte wie Du willst:
ich für mein Theil denke doch nur: da habe ich dem
guten alten Kerl doch noch eine nette Erinnerung an
die alte gemüthliche Heimath mit aufs Schiff gegeben."

Ich konnte nur durch eine matte Handbewegung
antworten; Stopfkuchen warf noch einen Blick in die
Gasse und einen hinter den Schenktisch und sagte:

"Von allen Menschen, so auf Erden um diese
grausame und erschreckliche Historie herumwandelten,
schnüffelten und sich die Köpfe zerbrachen, hätte von
rechtswegen ich der letzte sein sollen, dem das Ver-
gnügen, sie vor einer gemalten Leinwand und zu
einer Drehorgel kund zu machen, aufgehalst werden
durfte. Meinst Du nicht, Eduard?"

"Aber nein -- nein! Du, der Mann und Er-
oberer der rothen Schanze! der Schützer und Trost-
bringer der armen Valentine, der -- Rechtsnachfolger,
ja der Rechtsnachfolger des Bauern Quakatz!"

"Ach was! ich meine natürlich dem Charakter
und der körperlichen Veranlagung nach, Menschen-
kind! Ich hatte doch sowohl dem einen, wie der
andern nach garnichts damit zu thun. Was hatte
der dicke Schaumann vor und von der rothen Schanze
mit Kienbaums Morde und Kienbaums Mörder zu
schaffen, soweit es auf die juristische Lösung der Frage

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„Eduard? . . Nun bitte ich Dich aber dringend,
Eduard, daß Du Dich auch fernerhin als bloßen
Chorus in der Tragödie betrachteſt. Fahre Du dreiſt
morgen wieder ab nach Deinem Kaffernlande und
ſinge mir da meinetwegen ſoviele Begleitſtrophen und
Begleitgegenſtrophen zu der Geſchichte wie Du willſt:
ich für mein Theil denke doch nur: da habe ich dem
guten alten Kerl doch noch eine nette Erinnerung an
die alte gemüthliche Heimath mit aufs Schiff gegeben.“

Ich konnte nur durch eine matte Handbewegung
antworten; Stopfkuchen warf noch einen Blick in die
Gaſſe und einen hinter den Schenktiſch und ſagte:

„Von allen Menſchen, ſo auf Erden um dieſe
grauſame und erſchreckliche Hiſtorie herumwandelten,
ſchnüffelten und ſich die Köpfe zerbrachen, hätte von
rechtswegen ich der letzte ſein ſollen, dem das Ver-
gnügen, ſie vor einer gemalten Leinwand und zu
einer Drehorgel kund zu machen, aufgehalſt werden
durfte. Meinſt Du nicht, Eduard?“

„Aber nein — nein! Du, der Mann und Er-
oberer der rothen Schanze! der Schützer und Troſt-
bringer der armen Valentine, der — Rechtsnachfolger,
ja der Rechtsnachfolger des Bauern Quakatz!“

„Ach was! ich meine natürlich dem Charakter
und der körperlichen Veranlagung nach, Menſchen-
kind! Ich hatte doch ſowohl dem einen, wie der
andern nach garnichts damit zu thun. Was hatte
der dicke Schaumann vor und von der rothen Schanze
mit Kienbaums Morde und Kienbaums Mörder zu
ſchaffen, ſoweit es auf die juriſtiſche Löſung der Frage

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[227/0237] „Eduard? . . Nun bitte ich Dich aber dringend, Eduard, daß Du Dich auch fernerhin als bloßen Chorus in der Tragödie betrachteſt. Fahre Du dreiſt morgen wieder ab nach Deinem Kaffernlande und ſinge mir da meinetwegen ſoviele Begleitſtrophen und Begleitgegenſtrophen zu der Geſchichte wie Du willſt: ich für mein Theil denke doch nur: da habe ich dem guten alten Kerl doch noch eine nette Erinnerung an die alte gemüthliche Heimath mit aufs Schiff gegeben.“ Ich konnte nur durch eine matte Handbewegung antworten; Stopfkuchen warf noch einen Blick in die Gaſſe und einen hinter den Schenktiſch und ſagte: „Von allen Menſchen, ſo auf Erden um dieſe grauſame und erſchreckliche Hiſtorie herumwandelten, ſchnüffelten und ſich die Köpfe zerbrachen, hätte von rechtswegen ich der letzte ſein ſollen, dem das Ver- gnügen, ſie vor einer gemalten Leinwand und zu einer Drehorgel kund zu machen, aufgehalſt werden durfte. Meinſt Du nicht, Eduard?“ „Aber nein — nein! Du, der Mann und Er- oberer der rothen Schanze! der Schützer und Troſt- bringer der armen Valentine, der — Rechtsnachfolger, ja der Rechtsnachfolger des Bauern Quakatz!“ „Ach was! ich meine natürlich dem Charakter und der körperlichen Veranlagung nach, Menſchen- kind! Ich hatte doch ſowohl dem einen, wie der andern nach garnichts damit zu thun. Was hatte der dicke Schaumann vor und von der rothen Schanze mit Kienbaums Morde und Kienbaums Mörder zu ſchaffen, ſoweit es auf die juriſtiſche Löſung der Frage 15*

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/237>, abgerufen am 25.11.2024.