sie es ein herziges Geschöpf und großartig, und räumte ihre beste Wäschekammer aus, um einen würdigen Aufbewahrungsplatz für das Scheusal zu schaffen. -- Was soll ich Dir noch viel davon reden, Eduard? Wir halfen unserm Vater so gut als möglich über seine letzten Lebensjahre weg, und ließen, nach Ver- ordnung des Arztes, Kienbaum so wenig als möglich an ihn heran. Wenn ich mich bescheiden mal rühmen will, so sage ich: ja, es ist mein Stolz und darf mein Stolz sein, daß ich diesem langweiligen Spuk ein Ende gemacht habe, daß ich diesem Gespenst die dürre Lemurengurgel zudrücken und ihm mit den Knieen den modrigen Brustkasten einstoßen durfte, daß der dicke Schaumann es war, der das Gerippe zu Staub ver- rieb. Das andere Gerippe, unsern allgemeinen Freund Hein hielt ich freilich nicht dadurch von der rothen Schanze ab. Das fraß den Bauer Quakatz wie es den Prinzen Xaver von Sachsen gefressen hat, von Kienbaum garnicht mehr zu reden. Und wenn ich meinerseits zuletzt doch noch einmal einen Wall hätte gegen es aufwerfen können: wer weiß, ob ich es gethan hätte? Es war doch eine Erlösung, als wir dem alten Herrn das letzte schwere Deckbett aus guter Dammerde auflegten. Er selber hat sich wohl in seinem Leben kein leichteres über den Kopf gezogen, und er thut jedenfalls heute noch einen guten Schlaf darunter nach den ungemüthlichen Träumen, die ihm der sogenannte helle lichte Tag seines Vorhandenseins in der Präsenz- und Steuerliste des Menschenthums beschert hatte. Wir begruben ihn in Maiholzen an
ſie es ein herziges Geſchöpf und großartig, und räumte ihre beſte Wäſchekammer aus, um einen würdigen Aufbewahrungsplatz für das Scheuſal zu ſchaffen. — Was ſoll ich Dir noch viel davon reden, Eduard? Wir halfen unſerm Vater ſo gut als möglich über ſeine letzten Lebensjahre weg, und ließen, nach Ver- ordnung des Arztes, Kienbaum ſo wenig als möglich an ihn heran. Wenn ich mich beſcheiden mal rühmen will, ſo ſage ich: ja, es iſt mein Stolz und darf mein Stolz ſein, daß ich dieſem langweiligen Spuk ein Ende gemacht habe, daß ich dieſem Geſpenſt die dürre Lemurengurgel zudrücken und ihm mit den Knieen den modrigen Bruſtkaſten einſtoßen durfte, daß der dicke Schaumann es war, der das Gerippe zu Staub ver- rieb. Das andere Gerippe, unſern allgemeinen Freund Hein hielt ich freilich nicht dadurch von der rothen Schanze ab. Das fraß den Bauer Quakatz wie es den Prinzen Xaver von Sachſen gefreſſen hat, von Kienbaum garnicht mehr zu reden. Und wenn ich meinerſeits zuletzt doch noch einmal einen Wall hätte gegen es aufwerfen können: wer weiß, ob ich es gethan hätte? Es war doch eine Erlöſung, als wir dem alten Herrn das letzte ſchwere Deckbett aus guter Dammerde auflegten. Er ſelber hat ſich wohl in ſeinem Leben kein leichteres über den Kopf gezogen, und er thut jedenfalls heute noch einen guten Schlaf darunter nach den ungemüthlichen Träumen, die ihm der ſogenannte helle lichte Tag ſeines Vorhandenſeins in der Präſenz- und Steuerliſte des Menſchenthums beſchert hatte. Wir begruben ihn in Maiholzen an
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ſie es ein herziges Geſchöpf und großartig, und räumte
ihre beſte Wäſchekammer aus, um einen würdigen
Aufbewahrungsplatz für das Scheuſal zu ſchaffen. —
Was ſoll ich Dir noch viel davon reden, Eduard?
Wir halfen unſerm Vater ſo gut als möglich über
ſeine letzten Lebensjahre weg, und ließen, nach Ver-
ordnung des Arztes, Kienbaum ſo wenig als möglich
an ihn heran. Wenn ich mich beſcheiden mal rühmen
will, ſo ſage ich: ja, es iſt mein Stolz und darf mein
Stolz ſein, daß ich dieſem langweiligen Spuk ein
Ende gemacht habe, daß ich dieſem Geſpenſt die dürre
Lemurengurgel zudrücken und ihm mit den Knieen den
modrigen Bruſtkaſten einſtoßen durfte, daß der dicke
Schaumann es war, der das Gerippe zu Staub ver-
rieb. Das andere Gerippe, unſern allgemeinen Freund
Hein hielt ich freilich nicht dadurch von der rothen
Schanze ab. Das fraß den Bauer Quakatz wie es
den Prinzen Xaver von Sachſen gefreſſen hat, von
Kienbaum garnicht mehr zu reden. Und wenn ich
meinerſeits zuletzt doch noch einmal einen Wall hätte
gegen es aufwerfen können: wer weiß, ob ich es
gethan hätte? Es war doch eine Erlöſung, als wir
dem alten Herrn das letzte ſchwere Deckbett aus guter
Dammerde auflegten. Er ſelber hat ſich wohl in
ſeinem Leben kein leichteres über den Kopf gezogen,
und er thut jedenfalls heute noch einen guten Schlaf
darunter nach den ungemüthlichen Träumen, die ihm
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/241>, abgerufen am 25.11.2024.
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