Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

in seiner unverdienten Verlassenheit; aber ändern
habe ich ja doch nichts dran können! Und er war
dabei ja auch immer ein wohlhabender Mensche und
hatte sein reichliches Auskommen und hat auch zurück-
gelegt. Das war doch ein Trost, und sie konnten
ihm ja auch niemals viel anhaben von Gerichtswegen!
Aber denken Sie nur ja nicht, daß es mir nicht
immer ein Angehen gewesen ist, der rothen Schanze
von Amtswegen nahe zu kommen. Und wenn es
möglich war, schickte ich auch immer einen Andern mit
den Briefschaften und der Zeitung hinein. O, Herr
Schaumann, Herr Schaumann, von Amtswegen mußte
ich ja auch tagtäglich, tagtäglich, tagtäglich da vorbei,
wo -- wo ich die That begangen habe. Von dem
Elend half mir auch Keiner; gerade wie ich dem Andres
auf der rothen Schanze nicht von seinem Verdruß
meinetwegen helfen konnte!' -- ,Nicht helfen konnte,
Störzer?' -- Nein, Herr! leider nicht! denn es war
gegen die Natur. Ach, Barmherziger, wenn ich es
nur ausdrücken könnte, wie ganz und gar es gegen
meine Natur war!' -- ,Eine saubere Natur, Störzer!'
-- ,Wie oft, Herr, habe ich dasselbe mir gesagt, hier
wo wir sitzen, auf den Knieen, wenn ich den Busch
und die Straße für mich allein hatte!' -- ,Hier?'
-- ,Ja, hier im Papenbusch auf der Stelle, wo ich's
ihm heimgezahlt habe, was er von Kindesbeinen an
an mir gesündigt hatte. Wenn es über das rechte
Maaß dabei gegangen ist, so habe ich vor dem barm-
herzigen Gott die langen, langen Jahre schwer an
der Verschuldigung und der Bangniß getragen. Es hat

in ſeiner unverdienten Verlaſſenheit; aber ändern
habe ich ja doch nichts dran können! Und er war
dabei ja auch immer ein wohlhabender Menſche und
hatte ſein reichliches Auskommen und hat auch zurück-
gelegt. Das war doch ein Troſt, und ſie konnten
ihm ja auch niemals viel anhaben von Gerichtswegen!
Aber denken Sie nur ja nicht, daß es mir nicht
immer ein Angehen geweſen iſt, der rothen Schanze
von Amtswegen nahe zu kommen. Und wenn es
möglich war, ſchickte ich auch immer einen Andern mit
den Briefſchaften und der Zeitung hinein. O, Herr
Schaumann, Herr Schaumann, von Amtswegen mußte
ich ja auch tagtäglich, tagtäglich, tagtäglich da vorbei,
wo — wo ich die That begangen habe. Von dem
Elend half mir auch Keiner; gerade wie ich dem Andres
auf der rothen Schanze nicht von ſeinem Verdruß
meinetwegen helfen konnte!‘ — ‚Nicht helfen konnte,
Störzer?‘ — Nein, Herr! leider nicht! denn es war
gegen die Natur. Ach, Barmherziger, wenn ich es
nur ausdrücken könnte, wie ganz und gar es gegen
meine Natur war!‘ — ‚Eine ſaubere Natur, Störzer!‘
— ‚Wie oft, Herr, habe ich dasſelbe mir geſagt, hier
wo wir ſitzen, auf den Knieen, wenn ich den Buſch
und die Straße für mich allein hatte!‘ — ‚Hier?‘
— ‚Ja, hier im Papenbuſch auf der Stelle, wo ich's
ihm heimgezahlt habe, was er von Kindesbeinen an
an mir geſündigt hatte. Wenn es über das rechte
Maaß dabei gegangen iſt, ſo habe ich vor dem barm-
herzigen Gott die langen, langen Jahre ſchwer an
der Verſchuldigung und der Bangniß getragen. Es hat

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0263" n="253"/>
in &#x017F;einer unverdienten Verla&#x017F;&#x017F;enheit; aber ändern<lb/>
habe ich ja doch nichts dran können! Und er war<lb/>
dabei ja auch immer ein wohlhabender Men&#x017F;che und<lb/>
hatte &#x017F;ein reichliches Auskommen und hat auch zurück-<lb/>
gelegt. Das war doch ein Tro&#x017F;t, und &#x017F;ie konnten<lb/>
ihm ja auch niemals viel anhaben von Gerichtswegen!<lb/>
Aber denken Sie nur ja nicht, daß es mir nicht<lb/>
immer ein Angehen gewe&#x017F;en i&#x017F;t, der rothen Schanze<lb/>
von Amtswegen nahe zu kommen. Und wenn es<lb/>
möglich war, &#x017F;chickte ich auch immer einen Andern mit<lb/>
den Brief&#x017F;chaften und der Zeitung hinein. O, Herr<lb/>
Schaumann, Herr Schaumann, von Amtswegen mußte<lb/>
ich ja auch tagtäglich, tagtäglich, tagtäglich da vorbei,<lb/>
wo &#x2014; wo ich die That begangen habe. Von dem<lb/>
Elend half mir auch Keiner; gerade wie ich dem Andres<lb/>
auf der rothen Schanze nicht von &#x017F;einem Verdruß<lb/>
meinetwegen helfen konnte!&#x2018; &#x2014; &#x201A;Nicht helfen konnte,<lb/>
Störzer?&#x2018; &#x2014; Nein, Herr! leider nicht! denn es war<lb/>
gegen die Natur. Ach, Barmherziger, wenn ich es<lb/>
nur ausdrücken könnte, wie ganz und gar es gegen<lb/>
meine Natur war!&#x2018; &#x2014; &#x201A;Eine &#x017F;aubere Natur, Störzer!&#x2018;<lb/>
&#x2014; &#x201A;Wie oft, Herr, habe ich das&#x017F;elbe mir ge&#x017F;agt, hier<lb/>
wo wir &#x017F;itzen, auf den Knieen, wenn ich den Bu&#x017F;ch<lb/>
und die Straße für mich allein hatte!&#x2018; &#x2014; &#x201A;Hier?&#x2018;<lb/>
&#x2014; &#x201A;Ja, hier im Papenbu&#x017F;ch auf der Stelle, wo ich's<lb/>
ihm heimgezahlt habe, was er von Kindesbeinen an<lb/>
an mir ge&#x017F;ündigt hatte. Wenn es über das rechte<lb/>
Maaß dabei gegangen i&#x017F;t, &#x017F;o habe ich vor dem barm-<lb/>
herzigen Gott die langen, langen Jahre &#x017F;chwer an<lb/>
der Ver&#x017F;chuldigung und der Bangniß getragen. Es hat<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0263] in ſeiner unverdienten Verlaſſenheit; aber ändern habe ich ja doch nichts dran können! Und er war dabei ja auch immer ein wohlhabender Menſche und hatte ſein reichliches Auskommen und hat auch zurück- gelegt. Das war doch ein Troſt, und ſie konnten ihm ja auch niemals viel anhaben von Gerichtswegen! Aber denken Sie nur ja nicht, daß es mir nicht immer ein Angehen geweſen iſt, der rothen Schanze von Amtswegen nahe zu kommen. Und wenn es möglich war, ſchickte ich auch immer einen Andern mit den Briefſchaften und der Zeitung hinein. O, Herr Schaumann, Herr Schaumann, von Amtswegen mußte ich ja auch tagtäglich, tagtäglich, tagtäglich da vorbei, wo — wo ich die That begangen habe. Von dem Elend half mir auch Keiner; gerade wie ich dem Andres auf der rothen Schanze nicht von ſeinem Verdruß meinetwegen helfen konnte!‘ — ‚Nicht helfen konnte, Störzer?‘ — Nein, Herr! leider nicht! denn es war gegen die Natur. Ach, Barmherziger, wenn ich es nur ausdrücken könnte, wie ganz und gar es gegen meine Natur war!‘ — ‚Eine ſaubere Natur, Störzer!‘ — ‚Wie oft, Herr, habe ich dasſelbe mir geſagt, hier wo wir ſitzen, auf den Knieen, wenn ich den Buſch und die Straße für mich allein hatte!‘ — ‚Hier?‘ — ‚Ja, hier im Papenbuſch auf der Stelle, wo ich's ihm heimgezahlt habe, was er von Kindesbeinen an an mir geſündigt hatte. Wenn es über das rechte Maaß dabei gegangen iſt, ſo habe ich vor dem barm- herzigen Gott die langen, langen Jahre ſchwer an der Verſchuldigung und der Bangniß getragen. Es hat

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/263
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/263>, abgerufen am 24.11.2024.