Eduard! -- ,Was soll man machen,' spricht das Letztere, das Beichtkind, ,wenn man eigentlich ohne jegliche Wehr und Waffe gegen jeglichen Schlingel von Jugend auf geboren ist? O Gott, Gott, Gott, es ist ja gewißlich ein Mord gewesen, den ich an Kien- baum begangen habe; aber es gehört eben Alles dazu, im Kleinen und Allerkleinsten, wie im Groben und Allergröbsten was mir der Mann als Junge und junger Mensch und Mannsmensch angethan hat. Und mir hat Kienbaum so ziemlich Alles angethan, was kein Junge vom andern erträgt! Wenn seine Püffe und Knüffe beim alten Kantor Fuhrhans mir an der Haut haften geblieben wären, so wäre heute kein weißer Christenflecken mehr an mir, sondern Alles blau, grün und gelb. Und wenn die Wuththränen, die ich hinter ihm drein verschluckt habe, jetzt ausbrächen, so gäb's drei Eimer voll! Ich habe Ihnen wohl vorhin gesagt, es sei über kein Mädchen so gekommen, aber dabei ist doch eins gewesen. Nämlich beim Mi- litär. Als wir zwei beim Militär auch vom Herrgott wie aneinander genagelt waren. Ich wollte nichts von ihr, aber ich habe sie ihm, mit seinem Kind bei sich aus dem Wasser geholt, in der ganzen Garnitur Numero zwei, und es wäre besser gewesen, ich hätte sie drin gelassen die zwei armen Geschöpfe. Um die Alimente hat er sich nachher weggeschworen, und so ist das Kind unter der Hecke verkommen und sie im Zuchthause. Aber davon will ich garnichts sagen; denn im Grunde ging das mich doch eigentlich weiter nichts an als im allgemeinen menschlichen
Eduard! — ‚Was ſoll man machen,‘ ſpricht das Letztere, das Beichtkind, ‚wenn man eigentlich ohne jegliche Wehr und Waffe gegen jeglichen Schlingel von Jugend auf geboren iſt? O Gott, Gott, Gott, es iſt ja gewißlich ein Mord geweſen, den ich an Kien- baum begangen habe; aber es gehört eben Alles dazu, im Kleinen und Allerkleinſten, wie im Groben und Allergröbſten was mir der Mann als Junge und junger Menſch und Mannsmenſch angethan hat. Und mir hat Kienbaum ſo ziemlich Alles angethan, was kein Junge vom andern erträgt! Wenn ſeine Püffe und Knüffe beim alten Kantor Fuhrhans mir an der Haut haften geblieben wären, ſo wäre heute kein weißer Chriſtenflecken mehr an mir, ſondern Alles blau, grün und gelb. Und wenn die Wuththränen, die ich hinter ihm drein verſchluckt habe, jetzt ausbrächen, ſo gäb's drei Eimer voll! Ich habe Ihnen wohl vorhin geſagt, es ſei über kein Mädchen ſo gekommen, aber dabei iſt doch eins geweſen. Nämlich beim Mi- litär. Als wir zwei beim Militär auch vom Herrgott wie aneinander genagelt waren. Ich wollte nichts von ihr, aber ich habe ſie ihm, mit ſeinem Kind bei ſich aus dem Waſſer geholt, in der ganzen Garnitur Numero zwei, und es wäre beſſer geweſen, ich hätte ſie drin gelaſſen die zwei armen Geſchöpfe. Um die Alimente hat er ſich nachher weggeſchworen, und ſo iſt das Kind unter der Hecke verkommen und ſie im Zuchthauſe. Aber davon will ich garnichts ſagen; denn im Grunde ging das mich doch eigentlich weiter nichts an als im allgemeinen menſchlichen
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Eduard! — ‚Was ſoll man machen,‘ ſpricht das Letztere,
das Beichtkind, ‚wenn man eigentlich ohne jegliche
Wehr und Waffe gegen jeglichen Schlingel von
Jugend auf geboren iſt? O Gott, Gott, Gott, es
iſt ja gewißlich ein Mord geweſen, den ich an Kien-
baum begangen habe; aber es gehört eben Alles dazu,
im Kleinen und Allerkleinſten, wie im Groben und
Allergröbſten was mir der Mann als Junge und
junger Menſch und Mannsmenſch angethan hat. Und
mir hat Kienbaum ſo ziemlich Alles angethan, was
kein Junge vom andern erträgt! Wenn ſeine Püffe
und Knüffe beim alten Kantor Fuhrhans mir an
der Haut haften geblieben wären, ſo wäre heute
kein weißer Chriſtenflecken mehr an mir, ſondern Alles
blau, grün und gelb. Und wenn die Wuththränen, die
ich hinter ihm drein verſchluckt habe, jetzt ausbrächen,
ſo gäb's drei Eimer voll! Ich habe Ihnen wohl
vorhin geſagt, es ſei über kein Mädchen ſo gekommen,
aber dabei iſt doch eins geweſen. Nämlich beim Mi-
litär. Als wir zwei beim Militär auch vom Herrgott
wie aneinander genagelt waren. Ich wollte nichts
von ihr, aber ich habe ſie ihm, mit ſeinem Kind bei
ſich aus dem Waſſer geholt, in der ganzen Garnitur
Numero zwei, und es wäre beſſer geweſen, ich hätte
ſie drin gelaſſen die zwei armen Geſchöpfe. Um die
Alimente hat er ſich nachher weggeſchworen, und ſo
iſt das Kind unter der Hecke verkommen und ſie im
Zuchthauſe. Aber davon will ich garnichts ſagen;
denn im Grunde ging das mich doch eigentlich
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/268>, abgerufen am 21.11.2024.
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