Schreckniß dazu schaffen wollte? Der Menschheit und der Juristerei ist es nicht zu verdenken, daß sie in dieser Sache sich an Quakatz gehalten hat und nicht an den Landbriefträger Störzer. In seiner Natur und Stellung zu ihm lag's, Kienbaum todtzuschlagen. In meiner nicht! Gott sei Lob und Dank, sie haben mich wenigstens nicht zum Zeugen gegen ihn, Ihren Herrn Schwiegerpapa, aufgerufen. Da hätte ich mein schweres Herz auf den grünen Tisch legen können; aber mich so nach angstvollen Nächten und einsamem Tagesmarsch von selber angeben -- -- ich habe es versucht, aber es ist nicht gegangen -- ich habe es wollen, aber ich habe es verschoben -- immer weiter verschoben, und so sind die Jahre hingegangen, und dem Bauer auf der rothen Schanze ist es trotz seinem Verdruß immer besser ergangen. Die stille Angst, die stille Angst durch ein Menschenalter, Herr Schau- mann! Mit jedem Briefe habe ich sie tagtäglich durch ein Menschenalter rund um die rothe Schanze her und auf ihr den Menschen abgeben müssen und habe es doch nicht können -- habe mich doch nicht selber angeben können als den Thäter von der That, als Kienbaums Mörder. Herr, Herr, es ist zwar eigentlich zu spät, aber ich lege Ihnen kein Hinderniß in den Weg; -- Sie brauchen mich nicht an der Schulter zu nehmen: ich folge gern und gutwillig, wenn Sie mich jetzt, heute Abend, in die Stadt bringen und dem Ersten am Thor sagen: ,Der ist's gewesen! er hat es eben ganz von selber gestanden!'" -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --
Schreckniß dazu ſchaffen wollte? Der Menſchheit und der Juriſterei iſt es nicht zu verdenken, daß ſie in dieſer Sache ſich an Quakatz gehalten hat und nicht an den Landbriefträger Störzer. In ſeiner Natur und Stellung zu ihm lag's, Kienbaum todtzuſchlagen. In meiner nicht! Gott ſei Lob und Dank, ſie haben mich wenigſtens nicht zum Zeugen gegen ihn, Ihren Herrn Schwiegerpapa, aufgerufen. Da hätte ich mein ſchweres Herz auf den grünen Tiſch legen können; aber mich ſo nach angſtvollen Nächten und einſamem Tagesmarſch von ſelber angeben — — ich habe es verſucht, aber es iſt nicht gegangen — ich habe es wollen, aber ich habe es verſchoben — immer weiter verſchoben, und ſo ſind die Jahre hingegangen, und dem Bauer auf der rothen Schanze iſt es trotz ſeinem Verdruß immer beſſer ergangen. Die ſtille Angſt, die ſtille Angſt durch ein Menſchenalter, Herr Schau- mann! Mit jedem Briefe habe ich ſie tagtäglich durch ein Menſchenalter rund um die rothe Schanze her und auf ihr den Menſchen abgeben müſſen und habe es doch nicht können — habe mich doch nicht ſelber angeben können als den Thäter von der That, als Kienbaums Mörder. Herr, Herr, es iſt zwar eigentlich zu ſpät, aber ich lege Ihnen kein Hinderniß in den Weg; — Sie brauchen mich nicht an der Schulter zu nehmen: ich folge gern und gutwillig, wenn Sie mich jetzt, heute Abend, in die Stadt bringen und dem Erſten am Thor ſagen: ‚Der iſt's geweſen! er hat es eben ganz von ſelber geſtanden!‘“ — — — — — — — — — — —
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Schreckniß dazu ſchaffen wollte? Der Menſchheit und
der Juriſterei iſt es nicht zu verdenken, daß ſie in
dieſer Sache ſich an Quakatz gehalten hat und nicht
an den Landbriefträger Störzer. In ſeiner Natur
und Stellung zu ihm lag's, Kienbaum todtzuſchlagen.
In meiner nicht! Gott ſei Lob und Dank, ſie haben
mich wenigſtens nicht zum Zeugen gegen ihn, Ihren
Herrn Schwiegerpapa, aufgerufen. Da hätte ich mein
ſchweres Herz auf den grünen Tiſch legen können;
aber mich ſo nach angſtvollen Nächten und einſamem
Tagesmarſch von ſelber angeben — — ich habe es
verſucht, aber es iſt nicht gegangen — ich habe es
wollen, aber ich habe es verſchoben — immer weiter
verſchoben, und ſo ſind die Jahre hingegangen, und
dem Bauer auf der rothen Schanze iſt es trotz ſeinem
Verdruß immer beſſer ergangen. Die ſtille Angſt,
die ſtille Angſt durch ein Menſchenalter, Herr Schau-
mann! Mit jedem Briefe habe ich ſie tagtäglich
durch ein Menſchenalter rund um die rothe Schanze
her und auf ihr den Menſchen abgeben müſſen und
habe es doch nicht können — habe mich doch nicht
ſelber angeben können als den Thäter von der That,
als Kienbaums Mörder. Herr, Herr, es iſt zwar
eigentlich zu ſpät, aber ich lege Ihnen kein Hinderniß
in den Weg; — Sie brauchen mich nicht an der
Schulter zu nehmen: ich folge gern und gutwillig,
wenn Sie mich jetzt, heute Abend, in die Stadt
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Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/274>, abgerufen am 24.11.2024.
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