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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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"Was ist denn das? Noch kein Licht hier?"
sagte der erste Stammgast. "Bald sollen wir uns
unsere Erleuchtung wohl selber mitbringen? Meta,
Sie! wo stecken Sie denn?"

"Hier, Herr Staatsanwalt! o Gott, ja, gleich!" rief
das Mädchen mit zitternder Stimme. Auch das an-
gezündete Streichholz zitterte in ihrer Hand, und es
gelang ihr nur nach wiederholt mißlungenen Ver-
suchen, das Separatzimmer der besten Männer im
Goldenen Arm in ein helleres Licht zu setzen.

"Siehe da, die Herren!" sagte der Staatsanwalt.
"Was Schaumann, und nun wollen Sie gehen,
da wir eben kommen? Ei was, Stopfkuchen, alter
dicker Freund, und Du, Eduard, jetzt bleibt einmal
sitzen wie in andern schönern Zeiten. Was noch
von der alten Corona in diesem Jammerthal vorhan-
den ist, verzeiht es mir nie, wenn ich euch jetzt ruhig
laufen lasse; den Einen nach seiner rothen Schanze, den
Andern nach seinem schwarzen Afrika. Meta, jedem
der Herren auch noch einen Schoppen! Kinder, das
ist ja zu famos, das kann ja endlich mal wieder ein
fideler Abend nach der guten alten Art werden. Na,
ihr bleibt? was?"

"Wie gerne, wenn es ginge, und mein Leib-
arzt es mir nicht untersagt hätte," lachte Stopfkuchen.
"Ach, wenn Sie nur eine Ahnung davon hätten,
Schellbaum, wie streng mir der Mensch, der Ober-
wasser geistige Aufregung jeder Art untersagt hat,
Sie ließen mich wie in anderen schöneren Zeiten ruhig
unter meiner Hecke."

„Was iſt denn das? Noch kein Licht hier?“
ſagte der erſte Stammgaſt. „Bald ſollen wir uns
unſere Erleuchtung wohl ſelber mitbringen? Meta,
Sie! wo ſtecken Sie denn?“

„Hier, Herr Staatsanwalt! o Gott, ja, gleich!“ rief
das Mädchen mit zitternder Stimme. Auch das an-
gezündete Streichholz zitterte in ihrer Hand, und es
gelang ihr nur nach wiederholt mißlungenen Ver-
ſuchen, das Separatzimmer der beſten Männer im
Goldenen Arm in ein helleres Licht zu ſetzen.

„Siehe da, die Herren!“ ſagte der Staatsanwalt.
„Was Schaumann, und nun wollen Sie gehen,
da wir eben kommen? Ei was, Stopfkuchen, alter
dicker Freund, und Du, Eduard, jetzt bleibt einmal
ſitzen wie in andern ſchönern Zeiten. Was noch
von der alten Corona in dieſem Jammerthal vorhan-
den iſt, verzeiht es mir nie, wenn ich euch jetzt ruhig
laufen laſſe; den Einen nach ſeiner rothen Schanze, den
Andern nach ſeinem ſchwarzen Afrika. Meta, jedem
der Herren auch noch einen Schoppen! Kinder, das
iſt ja zu famos, das kann ja endlich mal wieder ein
fideler Abend nach der guten alten Art werden. Na,
ihr bleibt? was?“

„Wie gerne, wenn es ginge, und mein Leib-
arzt es mir nicht unterſagt hätte,“ lachte Stopfkuchen.
„Ach, wenn Sie nur eine Ahnung davon hätten,
Schellbaum, wie ſtreng mir der Menſch, der Ober-
waſſer geiſtige Aufregung jeder Art unterſagt hat,
Sie ließen mich wie in anderen ſchöneren Zeiten ruhig
unter meiner Hecke.“

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[265/0275] „Was iſt denn das? Noch kein Licht hier?“ ſagte der erſte Stammgaſt. „Bald ſollen wir uns unſere Erleuchtung wohl ſelber mitbringen? Meta, Sie! wo ſtecken Sie denn?“ „Hier, Herr Staatsanwalt! o Gott, ja, gleich!“ rief das Mädchen mit zitternder Stimme. Auch das an- gezündete Streichholz zitterte in ihrer Hand, und es gelang ihr nur nach wiederholt mißlungenen Ver- ſuchen, das Separatzimmer der beſten Männer im Goldenen Arm in ein helleres Licht zu ſetzen. „Siehe da, die Herren!“ ſagte der Staatsanwalt. „Was Schaumann, und nun wollen Sie gehen, da wir eben kommen? Ei was, Stopfkuchen, alter dicker Freund, und Du, Eduard, jetzt bleibt einmal ſitzen wie in andern ſchönern Zeiten. Was noch von der alten Corona in dieſem Jammerthal vorhan- den iſt, verzeiht es mir nie, wenn ich euch jetzt ruhig laufen laſſe; den Einen nach ſeiner rothen Schanze, den Andern nach ſeinem ſchwarzen Afrika. Meta, jedem der Herren auch noch einen Schoppen! Kinder, das iſt ja zu famos, das kann ja endlich mal wieder ein fideler Abend nach der guten alten Art werden. Na, ihr bleibt? was?“ „Wie gerne, wenn es ginge, und mein Leib- arzt es mir nicht unterſagt hätte,“ lachte Stopfkuchen. „Ach, wenn Sie nur eine Ahnung davon hätten, Schellbaum, wie ſtreng mir der Menſch, der Ober- waſſer geiſtige Aufregung jeder Art unterſagt hat, Sie ließen mich wie in anderen ſchöneren Zeiten ruhig unter meiner Hecke.“

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/275>, abgerufen am 24.11.2024.